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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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sehr altes Pergament handelte. Im Geheimfach fand ich überdies noch ein Stück Papier, auf dem zu lesen stand, daß dieses Pergament eine Schatzkarte sei, die zu dem kostbarsten Schatz führte, den die Mauren von Al-Andalus kannten. Und daß diesen Schatz nur diejenigen finden könnten, die von echtem Glauben erfüllt seien und die Karte zu entziffern wüßten. Die Ungläubigen bedachte der Schreiber hingegen mit den allerschrecklichsten Flüchen und drohte ihnen mit den fürchterlichsten aller Todesarten.
    Ich dachte lange darüber nach, was ich damit tun sollte. Das Pergament mußte sehr wertvoll sein, wenn der Verstorbene es an einem so geheimen Ort aufbewahrt und selbst vor der eigenen Familie verborgen hatte. Nach langem Zögern beschloß ich, es heimlich mitzunehmen.
    Alsdann geschah etwas Eigenartiges: Nachdem ich das einzigartige Dokument über mehrere Tage hinweg studiert hatte, begann ich einen immer wiederkehrenden Traum zu haben. Zunächst war er noch ganz angenehm, mit der Zeit entwickelte er sich aber zu einer wahren Obsession. In diesem Traum erschien mir das Pergament, dessen Labyrinth sich von der Mitte her in alle vier Himmelsrichtungen ausbreitete; es wuchs nach oben und nach unten, bis es ein großes Gebäude war. Ich spazierte darin herum, anfangs noch ohne Schwierigkeiten, aber schon bald verlief ich mich und fand aus dem engen Gang nicht mehr heraus. Dann wurde es stockdunkel um mich herum. Voller Furcht versuchte ich diese Dunkelheit zu ergründen, doch plötzlich verlor ich den Boden unter den Füßen und fiel in ein tiefes, unendlich tiefes Loch, ich fiel und fiel …
    So erging es mir ein ums andere Mal; ich sehnte mich geradezu danach, daß es Zeit wurde, schlafen zu gehen. Zugleich fürchtete ich mich aber auch davor. Einerseits wünschte ich mir den Traum herbei, denn jenes Pergament schien seine Geheimnisse nur im Schlaf preiszugeben. Andererseits machte es |303| mir angst, denn ich schlief schlecht und wachte mitten in der Nacht schweißgebadet auf. Und am Tag zitterte mir die Hand beim Schreiben, und ich konnte mich nicht mehr auf meine Arbeit konzentrieren.
    Da mich diese merkwürdigen Vorgänge zutiefst erschreckten, hütete ich mich zunächst, irgend jemand dieses Pergament zu zeigen, das sich meines Willens zu bemächtigen schien. Nachdem ich jedoch lange darüber nachgedacht hatte, ohne es deuten zu können, kopierte ich sorgfältig einige Fragmente, die mir von tiefgreifender Bedeutung zu sein schienen, und machte mich daran, sie den gelehrtesten Männern der Stadt vorzulegen. Doch vergebens: Keiner von ihnen kam viel weiter als ich. Entweder waren sie wirklich überfragt, oder aber sie verschwiegen mir, was sie wußten, denn in mehr als einem Blick konnte ich große Angst erkennen.
    Mißmutig beschloß ich deshalb, dem Ratschlag derer zu folgen, die mir versicherten, nur in Antigua könne ich weise Männer finden, die über die nötigen Kenntnisse verfügten, um das Rätsel zu entschlüsseln. Hier, so sagte man mir, befänden sich die besten Bibliotheken, die erfahrensten Übersetzer und die hervorragendsten Kenner überlieferten Wissens. Und man erklärte mir auch, daß Ihr, der Rabbiner dieser Gemeinde, der angesehenste von allen seid.‹
    Mit diesen Worten holt der Fremde sein mitgebrachtes Bündel hervor, knüpft es auf und breitet seinen Fund vor Samuel Toledano aus. Der ehrwürdige alte Mann befühlt die Tierhaut, prüft sie genau. Er läßt sich Zeit mit seiner Antwort. Als er schließlich zum Reden ansetzt, tut er dies langsam und bedächtig und blickt Azarquiel dabei mit besorgten, ja kummervollen Augen an.
    ›Nicht Ihr seid es, der dieses Pergament gefunden hat. Es hat
Euch
gefunden, es hat sich Euch
offenbart
. Es gehört nicht Euch, sondern Ihr gehört ihm. Dies hier ist die allerkostbarste der über vierhunderttausend Handschriften, die die berühmte Bibliothek des Kalifen al-Hakam II. einstmals umfaßte. Man glaubte sie für immer verloren.‹
    |304| ›Ein Pergament aus der Bibliothek des Kalifen? Was hat es damit auf sich?‹
    ›Nun, die Geschichte nahm ihren Anfang vor über dreihundert Jahren, während der Herrschaft des omaijadischen Kalifen Abd ar-Rahman III., als Admiral Ibn Rumahis, der dessen Flotte befehligte, im Mittelmeer drei Schiffbrüchige eines aus Rom stammenden Schiffs aus dem Wasser zog.
    Die drei Überlebenden waren schon so alt und in so bemitleidenswerter Verfassung, daß kein Sklavenhändler noch viel für sie geboten hätte. Da es sich

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