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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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behaupteten besonders verwegene Münder, daß er in einer durch sieben Tore geschützten Höhle unter dem Fluß weiterlebe und dort, tief unter Antiguas Fundamenten, immer noch Erze in Gold verwandele. Aufgrund dieses Gerüchts, aber auch weil es so unterschiedliche Interessen betraf, entbrannten um Azarquiels Grundstück scharfe Dispute zwischen dem Domkapitel und dem Rat der Stadt. Man beschloß, die Bewohner des Häuserblocks umzusiedeln, unter dem Azarquiel gegraben hatte, um zu verhindern, daß irgend jemand die Ausgrabungen fortführte. Doch selbst so verstummte das Gerede nicht. Man begann sich um diesen Grund und Boden zu streiten, so daß man die Grundstücke schließlich unter den Schutz der Krone und deren Schiedsgericht stellte … Und damit ist die Geschichte zu Ende«, sagt Raimundo Randa zu seiner Tochter, die ihm fasziniert gelauscht hat.
    »Ach, Vater, immer hört Ihr an der spannendsten Stelle auf«, beklagt sich Ruth. »Und was ist nach Azarquiels Tod mit dem Pergament passiert?«
    »Die gleiche Frage haben damals auch Rebecca und ich deinem Großonkel, Moisés Toledano, gestellt. Daraufhin hat er die Schatulle aus Elfenbein geöffnet, die er auf dem Schoß hielt, und uns noch einmal eines der feinen Lederstücke gezeigt.
    ›Seht ihr diesen Keil hier?‹ sagte er. ›Das ist unserer, der, den die direkten Nachfahren von Samuel Toledano erbten. Man erkennt ihn daran, daß auf seiner Rückseite ETEMENANKI geschrieben steht.‹
    Dann griff er noch einmal in die Schatulle und zog zehn weitere Keile hervor, die in Form und Größe dem ersten ähnelten, wenn auch die darauf eingebrannten Linien allesamt unterschiedlich waren. Er drehte sie nacheinander um, damit wir sehen konnten, daß auf ihrer Rückseite nichts stand.
    ›Diese zehn Keile stammen von zehn anderen sephardischen Familien. Erinnert Ihr Euch an das Treffen der zehn Geschworenen in unserem Haus in Konstantinopel? Dazu sollte jeder seinen Keil mitbringen.‹
    |314| Und dann erzählte er uns, daß das geheimnisvolle Pergament aus Fes nach Azarquiels Tod in den Besitz der Toledanos übergegangen war. Die Nachkommen des alten Rabbiners warteten auf bessere Zeiten, um mit Azarquiels Erkundigungen fortzufahren. Doch diese Zeiten kamen nie. Ganz im Gegenteil: alles wurde nur noch schlimmer durch die grausamen Verfolgungen, die bald darauf gegen sie entfesselt werden sollten.
    Als die Katholischen Könige im Jahr 1492 ihr Vertreibungsedikt erließen, gab es heftige Auseinandersetzungen darüber, was mit dem Pergament geschehen sollte, da sich Antiguas jüdische Gemeinde verstreuen würde. Das Pergament mußte geteilt werden, und die Toledanos schlugen vor, es in zwölf Keile zu zerschneiden, die für die zwölf Stämme Israels stünden. So könne niemand ohne die anderen Familien den Schatz heben. Einige erhoben zwar Einwände, wurden schließlich aber überstimmt.
    Doch noch ein anderes Problem gab es:Wie konnten Azarquiels Häuser gekennzeichnet werden, um eines Tages dessen Nachforschungen fortsetzen zu können, sollten sie oder ihre Nachkommen wirklich nach Antigua zurückkehren? Aus diesem Grund beauftragten sie einige Morisken damit, verschiedene Teile des Labyrinths unter den wichtigsten Gebäuden rund um Azarquiels Häuserblock nachzubilden. Selbst wenn das eine oder andere davon abgerissen würde, blieben auf diese Weise immer noch die restlichen, so daß derjenige, der im Besitz des vollständigen Pergaments wäre, wissen würde, wo er nach dem Eingang zu suchen hätte.
    Nachdem diese Vorkehrungen getroffen waren, zerschnitten sie das Pergament in zwölf Keile und verteilten es auf ebenso viele Familien, und man erstellte eine Liste seiner Hüter, die in den Händen der Toledanos verblieb. Es waren dies die jüngsten Söhne der einzelnen Familien, und sie nannten sich die Geschworenen.
    ›Das waren jene Gäste, die wir in unserem Haus in Konstantinopel empfangen haben‹, fuhr Moisés Toledano fort. ›Sie kamen |315| aus dem ganzen Mittelmeerraum angereist, um über die neue Situation zu diskutieren, die sich mit der Abdankung Karls V. zugunsten seines Sohnes Philipp in Spanien ergeben hatte.‹
    ›Seine Majestät der Kaiser schien aber über die Angelegenheit bereits unterrichtet zu sein, als er in Yuste meine Botschaft las‹, warf ich ein.
    ›Weil wir mit ihm zuvor schon einmal eine Übereinkunft treffen wollten; doch er war damals zu beschäftigt gewesen, um unserem Vorstoß Beachtung zu schenken. Nun, da er abgedankt und sich

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