Kryptum
nach Yuste zurückgezogen hatte, glaubten wir, daß sein Sohn Philipp für unser Anliegen zugänglicher sein würde, zumal unser Verwalter, Askenazi, mit ihm nahestehenden Personen in Freundschaft verbunden ist.‹
›Und im besonderen mit Artal de Mendoza, seinem obersten Spion‹, fügte ich hinzu.
›So ist es. Zu unserem Leidwesen waren wir uns damals weder der Tragweite von Askenazis Verrat bewußt, noch ahnten wir, daß sich die beiden hinter unserem Rücken verbündet hatten. Vielmehr schien für uns endlich der richtige Moment gekommen, weshalb wir sämtliche Geschworenen nach Konstantinopel einberiefen. Nur einer fehlte, Rubén Cansinos aus Fes, der älteste von uns.‹
›Deshalb zog sich das Treffen also so lange hin‹, sagte ich.
›Genau, wir warteten alle auf ihn. Dieses Pergament ist ja bedauerlicherweise nichts wert, solange es nicht vollständig ist. Wir schrieben seine Verspätung der großen Entfernung zu und den Gefahren durch die Berberkorsaren. Doch schließlich mußten wir einen Entschluß fassen und kamen zu dem Ergebnis, unseren Plan weiterzuverfolgen und das Terrain für die Verhandlungen mit König Philipp vorzubereiten. Da wurde Rinckauwer ermordet, und wir beschlossen, Euch an seiner Stelle zu schicken und erst mal hintanzustellen, was mit Rubén Cansinos geschehen war, der im Gegensatz zu uns den Keil seiner Familie noch persönlich erhalten hatte.‹
Nach kurzem Nachdenken sagte ich zu Moisés Toledano:
|316| ›Ich weiß nicht, ob Euch bekannt ist, daß Artal de Mendoza bereits zuvor versucht hatte, sich die Casa de la Estanca anzueignen.‹
›Dieses Gebäude ist das einzige auf Azarquiels ehemaligen Grundstücken, das noch steht. Es kann nicht abgerissen werden, weil sich dort die Wasserspeicher der Stadt befinden. Aber niemand hat herausgefunden, wie man durch die Casa de la Estanca in das unterirdische Antigua gelangt.‹
›Auch ich habe nach diesem Eingang gesucht. Und ihn nicht gefunden. Selbst Manuel Calderón scheint nichts davon zu wissen. So heißt der Mann, der jetzt die Casa de la Estanca verwaltet und den angrenzenden Palast bewohnt.‹
›Dafür bräuchtet Ihr alle zwölf Keile des Pergaments, es darf kein einziger fehlen. Und Ihr müßtet wissen, wie man sie anordnet, und sie zum Schluß noch entschlüsseln. Andernfalls könnt Ihr die Zeichen direkt vor der Nase haben und sie dennoch nicht deuten. Glaubt mir, es scheint ein Ding der Zauberei zu sein und ist gar keine leichte Aufgabe. Ich selbst habe es mit großer Bedachtsamkeit versucht und einige der Muster auf den Keilen auch den angesehensten Rabbinern gezeigt. Aber alle halten es für ein Werk der Moslems und nicht der Juden. Also habe ich einige gelehrte Moslems aufgesucht, die mir jedoch auch nicht weiterhelfen konnten. Nur einer von ihnen, der ein vielgereister Mann ist und sich in den Dingen seiner Glaubenslehre wie kein anderer auskennt, hat mir versichert, daß diese Zeichen ein Labyrinth bildeten, das er nur an zwei der allerheiligsten Stätten gesehen habe, in der Kaaba in Mekka und im Felsendom in Jerusalem. Und es sei gut möglich, daß das Rätsel sogar auf Abraham, den Stammesvater der Israeliten, zurückgehe, der beide Heiligtümer begründete, als er den Glauben an einen einzigen Gott verbreitete, um Babylons Götzendienst ein Ende zu bereiten. Und daß es vielleicht das Geheimnis sei, das Abraham zu dem Allmächtigen geführt habe, und das mit solch großem Glauben und Eifer, daß er nicht daran gezweifelt hatte, seinen Sohn zu opfern, als Gott es von ihm verlangte.‹
|317| ›Wenn das so ist, werde ich mir den Felsendom mal genauer ansehen, sobald wir in Jerusalem sind‹, meinte ich.
›Das ist unmöglich‹, bemerkte Don Moisés daraufhin, ›der ganze Platz, wo sich einst Salomos Tempel erhob und heute die al-Aqsa-Moschee und der Felsendom stehen, ist
al-Haram,
das vornehme Heiligtum, der Gottesberg. Nur der Kaaba in Mekka und der Moschee ihres Propheten in Medina wird der gleiche Rang zugestanden, und noch nie hat man irgend jemandem, der nicht dem islamischen Glauben angehört, erlaubt, diese beiden heiligen Stätten zu betreten. Kein Statthalter noch irgendeine andere Obrigkeit würde das je zulassen. Sollte man dort jemals einen Ungläubigen ertappen, wird man ihn auf der Stelle steinigen.‹
›Ich kann mich doch als Moslem ausgeben.‹
Sowohl er als auch Rebecca versuchten, mich von meinem Plan abzubringen. Aber ich machte ihnen klar, daß dies eine einmalige Gelegenheit sei
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