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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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Autokennzeichens gemacht. Er sah auf seine Armbanduhr. Er war viel zu früh dran. Obwohl Rachel und Bealfeld sich mit ihm vor dem Kloster verabredet hatten, beschloß er, hineinzugehen. Sie wollen mich zwar nicht dabeihaben, sagte er sich, aber manchmal muß man einfach dreist sein; nur so erfahre ich, was wirklich Sache ist.
    Er klingelte an der Pforte. Es blieb still. Er drückte noch einmal auf die Klingel, immer wieder, bis eine Nonne erschien, die ihn verärgert beäugte.
    »Sie wünschen?«
    »Ich bin mit Rachel Toledano und John Bealfeld verabredet. Könnten Sie ihnen bitte Bescheid sagen?«
    |328| »Sie sind in einer Besprechung.«
    »Das weiß ich. Sagen Sie ihnen bitte, David Calderón sei da.«
    »Warten Sie hier.«
    Es dauerte eine ganze Weile, bis die Pförtnerschwester zurückkam und ihn mißmutig zum Büro der Mutter Oberin begleitete.
    Die Spannung im Raum war deutlich spürbar. Verdrießlich blickten ihm die fünf Anwesenden entgegen, vor allem Rachel und der Kommissar. Oh, oh! dachte David, ob das eine so gute Idee war, hier aufzukreuzen? Bealfeld stellte ihn dem Erzbischof und der Mutter Oberin vor.
    »Ich kann auch draußen warten, wenn Sie möchten«, sagte er höflich.
    »Nein, nein, wir sind sowieso gleich fertig«, erklärte Presti mit eisiger Miene.
    David nickte Gutiérrez zu und setzte sich neben Rachel. Sie sah noch schlechter und bleicher aus als im Hotel eine Stunde zuvor und kaute nervös an ihren Nägeln. David warf ihr einen fragenden Blick zu; das Gespräch schien bisher nicht gut gelaufen zu sein.
    »Was ist los?« raunte er ihr ins Ohr.
    »Es gibt Probleme«, flüsterte sie zurück.
    »Was für Probleme?«
    »Hören Sie zu, dann werden Sie es verstehen …«
    Bealfeld hatte sich derweil wieder an Erzbischof Presti gewandt.
    »Entschuldigen Sie, Exzellenz, wenn ich nicht lockerlasse, aber ich kann das nicht akzeptieren. Nennen Sie mir einen einzigen Grund, warum wir die Dokumente nicht einsehen dürfen, die Sara Toledano Anfang der Woche noch in Händen hatte. Sie
haben
es uns zu gestatten! Seit Saras Verschwinden sind bereits drei Tage vergangen. Es geht allmählich um Leben oder Tod!«
    Der Tonfall seiner Worte verriet deutlich, daß Bealfelds Nerven zum Zerreißen gespannt waren. Inzwischen kannte David ihn gut genug, um zu begreifen, wie sehr diese Situation den |329| Kommissar bestürzte. Als gläubiger Christ war es sicher nicht einfach für ihn, dem Erzbischof die Stirn zu bieten. Der Kryptologe fragte sich aber auch, was den
nuncio apostolico con incarichi
speciali
auf einmal dazu bewogen hatte, ihnen den Zugang zum Archiv zu verweigern.
    »Ihre Bemerkung ist eine Zumutung«, entgegnete Presti jetzt mit schneidender Stimme. »Ich würde nicht imTraum daran denken, Sie um Einsicht in vertrauliche Dokumente Ihrer Regierung anzugehen. Diese Bestände gehören jedenfalls der Kirche. Die Tatsache, daß Ms. Toledano sie ausnahmsweise einsehen durfte, bedeutet noch lange nicht, daß sie plötzlich für alle Welt zugänglich sind.«
    »Ich kenne zwar nicht die spanische Gesetzgebung, aber meiner Einschätzung nach betreffen diese Dokumente nach dem Vorfall auf der Plaza Mayor nicht mehr nur Saras Leben, sondern auch die öffentliche Sicherheit.«
    Mit diesen Worten hatte sich Bealfeld zu Gutiérrez umgedreht, von dem er sich Unterstützung erhoffte. Der Inspektor tat jedoch so, als bemerke er es nicht. Der Kommissar ließ indessen nicht locker und sah Gutiérrez so durchdringend an, daß dieser es schließlich nicht mehr übersehen konnte.
    »Ich habe den Worten Seiner Exzellenz nichts hinzuzufügen«, versuchte er sich herauszuwinden. »Die Bestände des Klosterarchivs fallen in seine Zuständigkeit. Und es gibt keinen einzigen stichhaltigen Beweis, daß diese Dokumente einen Anhaltspunkt für Sara Toledanos Verbleib bieten könnten. Oder daß sie in irgendeiner Beziehung zu dem Vorfall auf der Plaza Mayor stehen. Sie scheinen darüber hinaus die familiäre Vorgeschichte zu vergessen.«
    David blickte Rachel von der Seite an. Würde sie sich jetzt einschalten? Doch sie blieb stumm. Kam es ihm nur so vor, oder war ihr Gesicht in den letzten Minuten noch blasser geworden? Er wußte, daß es ihm eigentlich nicht zustand, aber auf diese anmaßenden Worte des Inspektors nicht zu reagieren wäre einem unannehmbaren Einverständnis gleichgekommen.
    »Da Sie schon die
familiäre Vorgeschichte
erwähnen, Inspektor: |330| Darf ich Sie daran erinnern, daß es Abraham Toledano war, der dieses

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