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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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Urteil des Architekten. Und er erzählte mir von seiner Reise nach Antwerpen, um dort die prächtige

Biblia Polyglotta‹ herauszugeben, jenes monumentale Werk der Druckkunst, in das bösen Zungen zufolge allerlei okkultes und kabbalistisches Gedankengut eingeflossen war. ›Besonders alles, was mit Salomos Tempel zu tun hat‹, erklärte mir Herrera. ›Er hat die Maße des Heiligtums genau erforscht, um es nachbauen zu können. Wegen der Bibliothek hat man ihm zudem schwere Vorwürfe gemacht, ist sie doch voller verbotener Bücher, die sich für ein Kloster nicht geziemen.‹
    Aus all dem Gesagten schloß ich, daß jener Mann, der uns als Eindringlinge in sein Reich betrachtet hatte, von seinen Büchern ganz in Beschlag genommen wurde, und ich verstand, warum er uns derart argwöhnisch beäugt hatte. Allem Anschein nach führte Arias Montano ein asketisches Leben. Er schlief auf ein paar Brettern auf dem Boden und aß nur einmal am Tag, wobei er weder Fleisch noch Fisch anrührte. Der |379| Blick seiner Augen erweckte einen gar seltsamen Eindruck, wie von jemandem, der ausschließlich nach innen gerichtet lebt.
    Das konnte ich auch feststellen, als Montano wieder in die Bibliothek trat, gefolgt von jenem Don Alonso, den er auf den Fluren gesucht hatte. Er strengte sich an, seine Selbstsicherheit zurückzugewinnen, die sein Zorn ihn beinahe hätte verlieren lassen. Er sprach jetzt ohne Eile und mit langen Pausen dazwischen, in denen seine aufmerksamen und durchdringenden Augen nicht zur Ruhe kamen. Mit Herrera schien er nicht gerade auf freundschaftlichem Fuße zu stehen. Und er dachte nicht im Traum daran, uns einfach so laufenzulassen; vielmehr erklärte er seinem Begleiter mit weitausholenden Gesten, er möge sich doch bitte an den Tisch setzen und überprüfen, ob alles noch so dalag, wie er es zuvor hinterlassen hatte oder ob jemand dort herumgeschnüffelt habe.
    Da trat sein Begleiter hinter ihm hervor, der mir irgendwie bekannt vorkam. Nachdem ich ihn eingehend betrachtet hatte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Vor mir stand Alonso del Castillo, der Moriske, den ich einst im Kloster meines Onkels, des Abts Víctor de Castro, kennengelernt hatte. Wir hatten uns seit jenem fernen Tag nicht mehr gesehen, seit wir zusammen die Alhambra in Granada aufgesucht hatten, deren arabische Inschriften er für meinen Onkel übersetzen sollte. Damals war ich noch ein bartloser Jüngling gewesen, weshalb er mich jetzt als erwachsenen Mann mit einem Vollbart nicht wiedererkannte.
    Ich spürte, wie Herrera immer nervöser wurde, da all dies unangenehme Konsequenzen für ihn haben konnte. Gespannt erwartete ich Alonsos Antwort auf die Frage des Bibliothekars. Ich sah ihn zögern, war er sich doch der Tragweite seiner Aussage bewußt, sollte er den Architekten beschuldigen, in jenen Papieren gewühlt zu haben, die ein Staatsgeheimnis zu sein schienen. Ich konnte mir gut vorstellen, welchen Kampf er gerade mit sich selbst ausfocht. Der Moriske sah Herrera an, als wolle er ihn im voraus um Entschuldigung bitten.
    |380| ›Für alles, was hier in der Bibliothek passiert, trage ich die Verantwortung‹, rief ihm Montano nochmals in Erinnerung.
    Alonso del Castillo richtete seinen Blick wieder auf den Tisch. Ich fragte mich, wo diese Pergamente wohl herkamen und was er in ihnen entdeckt hatte, daß soviel Aufhebens darum gemacht wurde. Der Moriske wollte schon zum Sprechen ansetzen, da erschütterte eine ohrenbetäubende Explosion das ganze Gebäude.
    Herrera reagierte als erster und stürmte in Windeseile aus der vorläufigen Bibliothek. Turriano, Montano, Alonso de Castillo und ich blickten uns entsetzt an.
    Der Architekt schien keine Sekunde lang gezögert zu haben, in welche Richtung er laufen mußte. Als wir in den Flur traten, hatte er schon einen gewaltigenVorsprung. Wir sahen ihn gerade noch ins Untergeschoß des westlichen Turms hasten, wo sich die Apotheke befand. Montano, Turriano und ich beschleunigten unsere Schritte, immer ihm hinterher. Alonso del Castillo folgte uns in einiger Entfernung. Sein feiner, von seiner Konvertitenfamilie ererbter Instinkt hieß ihn vorsichtig sein.
    An der Schwelle des Turms angekommen, stellte sich uns ein Trupp Hellebardiere in den Weg. Vom Gang aus sahen wir nur eine große Rauchwolke aus der Tiefe aufsteigen. Irgendwer sagte, man solle dem bißchen Krach nicht soviel Bedeutung beimessen, worauf Montano und Alonso del Castillo sich verabschiedeten und in die Bibliothek

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