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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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geschickt hat.«
    »Hier sind sie.« David breitete sie auf dem Tisch aus.
    »Als man die Maurer nach der Bedeutung der Linien auf diesen Keilen fragte, erklärten sie, es handele sich dabei um Vorlagen für die üblichen Verzierungen an den Häusern.«
    »Ist das zu glauben?«
    »Natürlich. Wenn der Richter einen Experten hinzugezogen hätte, hätte er dies bestätigen können.«
    David legte nun auch die Schablone und die Zeichnung mit der Kombinationsmaschine von Girolamo Cardano auf den Tisch.
    |411| »Das hat Sara Rachel geschickt. Könnten sie das verwendet haben, um diese Vorlagen herzustellen?«
    »Das ist gut möglich. Ich kann euch allerdings nur das weitergeben, was Sara mir erzählt hat. Ich weiß, daß sie die Prozeßakten genau studiert und herausgefunden hat, daß der Richter überprüfen ließ, an welchen Gebäuden die Maurer gearbeitet hatten. Ausgehend von der Liste dieser Gebäude, bat sie mich, ihr zu sagen, welche davon noch stehen und welche abgerissen oder von Grund auf saniert worden sind.«
    »Sara suchte also im Ziegeldekor dieser Bauwerke nach den Linien der Pergamentkeile.«
    »Den Eindruck hatte ich jedenfalls.«
    »Was dieses Pergament zu einer Art Stadtplan machen würde, der uns vielleicht verrät, wo Sara ist oder zumindest, wo sie in die unterirdischen Gänge hinabgestiegen ist. Wenn sie denn dort unten ist … Wo liegen diese Gebäude?«
    »Ich erzähle euch nur von denen, die noch erhalten sind. Den Richtern des 16. Jahrhunderts waren die Ornamente an der Vierungskuppel der Kathedrale, der Apsis der Kirche des Convento de los Milagros, dem höchsten Turm des Alkazar und der Fassade der Casa de la Estanca aufgefallen, die von den besagten Maurern bei der Restaurierung der Gebäude angebracht worden waren. Man hegte den Verdacht, daß in diesen Ziegelornamenten Botschaften verborgen waren.«
    »Was für Botschaften?«
    »Lobpreisungen Allahs, Koranverse und Bittgebete. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, und in diesen Ornamenten kann man solche ketzerischen Texte leicht verstecken.«
    »Und diese Ornamente, gibt es die noch?«
    »Die an der Kuppel der Kathedrale sind noch vollständig erhalten, sind aber während der letzten Restaurierung mit einer Isolierschicht überzogen worden, damit es nicht irgendwann durchregnet. Die an der Apsis der Kirche vom Convento de los Milagros haben im Bürgerkrieg sehr gelitten, und die am Turm des Alkazar wurden weitgehend durch eine Uhr zerstört, die man im 18. Jahrhundert dort anbrachte …«
    |412| »Und die Casa de la Estanca?«
    »Ich weiß, daß alle Welt den gesamten Gebäudekomplex so nennt. Im Grunde muß man aber zwischen der eigentlichen Casa de la Estanca und dem Stadtpalast unterscheiden, der den alten Wasserspeicher mit seinen beiden hinteren Seitenflügeln umschließt. Nur die Casa de la Estanca hat Ziegelornamente, denen die Feuchtigkeit allerdings schon ziemlich zugesetzt hat. Der in der Form eines H gebaute Palast ist erst viel später entstanden, gegen Ende des 16. Jahrhunderts. Einer meiner Vorfahren hat ihn entworfen.« Als er Davids überraschten Blick sah, fügte er hinzu: »Die Maliaños sind seit über vierhundert Jahren Architekten, vielleicht noch viel länger, dem Erbe nach, das sie mir hinterlassen haben.«
    »Aber das, was Sie die eigentliche Casa de la Estanca nennen, ist kaum mehr als ein verfallener Wasserturm! Ich begreife nicht, warum sie auf der Liste der Bauwerke auftaucht, von der Sie sprechen. Dieses Gemäuer ist nicht im entferntesten mit der Kathedrale, dem Convento de los Milagros oder dem Alkazar zu vergleichen.«
    »Die Casa de la Estanca erfüllt durchaus ihren Zweck, täuschen Sie sich da mal nicht. Dieser Wasserturm existierte schon in der Römerzeit, als Antiguas Wasserversorgung noch über ein Aquädukt gewährleistet wurde, das irgendwann dann einstürzte und verfiel. Im 16. Jahrhundert gab es einen Versuch, die Casa de la Estanca wieder mehr zu nutzen, als Juanelo Turriano sein Wasserhebewerk konstruierte, das berühmte
artificio
de Juanelo
. Als mein Vorfahr wenig später mit dem Bau des Palasts beauftragt wurde, war eine der Bedingungen, daß er den Turm mit all seinen Wasserleitungen und Abwasserrohren erhielt. In diesem Bereich durfte unter keinen Umständen gegraben werden.«
    »Es ist also ein Gebäude, das nie der Spitzhacke zum Opfer gefallen ist.«
    »Ja, und das kann auch der Grund gewesen sein, warum die Morisken es für ihre Ornamente gewählt haben: weil sie nach Gebäuden suchten,

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