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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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ihm steht einzig und allein der König. Dieser Mann kennt zu viele Geheimnisse. Viele seiner Taten, die jeder andere mit dem Tod bezahlen müßte, können ihm nicht zur Last gelegt werden, weil sich dahinter vielleicht die schändlichsten Staatsgeheimnisse verbergen. Oder Philipp II.höchstpersönlich. Nur derjenige, der auf dieselbe Weise in der Gunst des Monarchen steht wie De Mendoza, ist vor seinen Ränken sicher. Oder der auf den Schutz der Kirche zählen kann, wie dies bei mir der Fall ist. Vor vielen Jahren habe ich dir ja schon einmal erklärt, daß dieses Kloster für mich ein wahrer Schutzwall ist. Es ist soviel wert wie die dickste Stadtmauer.‹
    ›Und warum trägt er immer Handschuhe und eine Maske, die er selbst in Gegenwart des Königs nicht ablegt?‹ wollte ich noch wissen.
    ›Weil dein Vater, der mutige Álvaro de Castro, ihm mit einem |453| Degenhieb die halbe Wange und die rechte Hand nahm, welche er durch eine aus Silber ersetzen mußte. Diejenigen, die gesehen haben, was von Artals Gesicht übriggeblieben ist, versichern, der Anblick sei grauenerregend.‹
    ›Und wie kam es dazu?‹
    ›Ein Duell. Ein Streit unter jungen Waffenbrüdern, die sich in dieselbe Frau verliebt hatten und sich um sie schlagen wollten. Die Frau war deine Mutter, Clara Toledano. Sie entstammte einer der ältesten Adelsfamilien von Antigua, welche seit undenklichen Zeiten die Hüter der Casa de la Estanca waren.‹
    ›Darum kämpften Artal de Mendoza und mein Vater also damals …‹
    ›Mein Bruder Álvaro kämpfte um deine Mutter, ich glaube nicht, daß ihm etwas an der Casa de la Estanca lag. Was Artal betrifft, so urteile selbst. Er ist ein Bastard der Mendozas, einer der mächtigsten und aufsässigsten Familien des Reiches. Als dein Vater ihm die Mitgift deiner Mutter wegschnappte und sein Gesicht entstellte, machte er damit auch all seine Hoffnungen zunichte. Mit seinem furchterregenden Aussehen war es ihm verwehrt, eine Laufbahn bei Hof einzuschlagen, es sei denn im verborgenen. Und so wurde er zum Spion. Ich nehme an, zu Beginn betrachtete er es als Strafe. Doch mit der Zeit findet man an allem Geschmack. Besonders, wenn dabei die eigene Macht wächst. Jetzt untersteht ihm das größte Agentennetz, das es je rund ums Mittelmeer gegeben hat. Die Krone gibt dafür Abertausende von Dukaten aus, so daß es kein Leichtes ist, ihm zu entkommen. Nicht einmal in den Ländern der Ungläubigen.‹
    ›Das habe ich auch schon festgestellt‹, erwiderte ich bekümmert. ›Warum habt Ihr mir das alles nicht erzählt, als Ihr mich nach dem Tod meiner Eltern hier aufnahmt?‹
    ›Viele dieser Dinge wußte ich damals noch gar nicht. Ich habe sie erst im Laufe der Zeit herausgefunden. Einiges habe ich von den Morisken erfahren, deren Berichten man nicht immer Glauben schenken kann. Und mancherlei habe ich dir nicht erzählt, weil ich nicht wollte, daß du irgendeine Dummheit |454| begehst, die dich Kopf und Kragen hätte kosten können. Und was vielleicht auch mein Verderben gewesen wäre, denn seinerzeit wurde mir noch nicht die Protektion zuteil, die ich heute genieße. Zudem behagte mir auch nicht der Gedanke, daß ein junger Bursche sein Leben dem Groll und der Rache widmet. Ich hoffte, daß du vergessen würdest. Jetzt sehe ich, daß alles vergebens war und jeder deiner Versuche, dem Fluch der Vergangenheit zu entrinnen, zu nichts anderem geführt hat, als dich der Gefahr immer noch näher zu bringen. Sei auf der Hut und bedenke jeden einzelnen deiner Schritte. Deine Frau und deine Tochter sind in seiner Gewalt …‹
    Zum Abschied gab mir mein Onkel noch einen letzten Ratschlag mit auf den Weg.
    ›Das Königreich Marokko befindet sich im Bürgerkrieg, und die Straßen werden immer wieder von Banditen heimgesucht. Schließe dich einer gut bewaffneten Karawane an, die nach Süden zieht. Sonst überlebst du nicht einen einzigen Tag.‹«
    Randa hält in seiner Erzählung inne, als er die Schritte seiner Wächter näher kommen hört. Er erhebt sich von der steinernen Bank, und während er seine Tochter zur Treppe begleitet, flüstert er ihr zu:
    »Wenn jetzt gleich die Eisentür aufgeht, dann schweig still, sosehr dich mein Verhalten auch erstaunen wird.«
    »Um Gottes willen, Vater! Was habt Ihr vor?«
    »Tu, was ich dir sage!«
    Kaum hat sich der Schlüssel im Schloß gedreht, und Artal erscheint auf der Schwelle, spricht sein Gefangener ihn ganz unerwartet an.
    »Diese Hand zerquetscht Euch den Stumpf«, erklärt Randa

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