Kryptum
Genehmigung, sich im Kloster völlig frei zu bewegen. Du nicht. Du mußt dir eine Eintrittskarte kaufen und dich an den üblichen Touristenrundgang halten. Drittes Problem: In die Räume, die sie allein betreten, kannst du ihnen nicht folgen. Und in den öffentlich zugänglichen Sälen werden sich auch andere Besucher aufhalten. Zeig dich erst, wenn wir es dir sagen und du dir absolut sicher sein kannst, daß dich niemand sieht. Dann fackel aber auch nicht lange.«
»Ich kann also im Notfall kurzen Prozeß mit ihnen machen?« wollte der Rothaarige wissen.
|458| »Du kannst«, gab Minspert zurück. »Du mußt dir diese Dokumente um jeden Preis unter den Nagel reißen, verstanden?« Der Agent nickte gehorsam. »Red nur das Allernötigste. Der jüngere, Calderón, spricht deine Sprache. Wenn du dich mit mir in Verbindung setzt, dann mach das auf englisch. Nie in deiner Sprache. Und benutz nur unsere Decknamen.«
»Alles klar, Mr. Minspert. Sonst noch etwas?«
»Sie sollten dich vorher nicht sehen. Versuch, dich unter eine Gruppe von Touristen zu mischen. Aber verlier sie nie aus den Augen! Und mach ordentliche Aufnahmen, damit ich dir von hier aus die nötigen Anweisungen erteilen kann. Mich dürfen sie nicht zu Gesicht bekommen, sie dürfen nicht einmal ahnen, daß ich hier bin. Sperr also die Augen und Ohren auf.«
Der dürre Mann in Schwarz faltete einen Plan der Klosteranlage auseinander und forderte den Agenten auf, es ihm mit seinem eigenen Plan nachzutun.
»Laß uns noch einmal alles durchgehen. Es gibt zwei Eingänge für den Publikumsverkehr, wo du an Sicherheitskontrollen mit Metalldetektoren und Scannern vorbeimußt. Deshalb haben wir den Sender und die Waffe direkt in die Kamera eingebaut.«
»Aber denk daran, du hast nur zwei Kugeln«, schaltete sich Minspert ein. »Wenn es brenzlig wird, fixiere mit dem Fadenkreuz des Laserobjektivs den Punkt genau zwischen den Augen. Dann kann nichts schiefgehen.«
»Und was mache ich, wenn sie irgendwo reingehen, wo keine Besucher zugelassen sind?« erkundigte sich der Agent.
»Dann wartest du, bis sie wieder rauskommen. Paß aber auf, daß die Aufsichtspersonen keinen Verdacht schöpfen. Sei vorsichtig mit denen, sie haben Walkie-talkies. Wenn einer von denen seine Kollegen warnen will, mußt du ihn sofort aus dem Weg räumen. Wir können uns keinen Fehltritt erlauben. Wir werden keine zweite Chance haben. Und laß bloß David Calderón nicht aus den Augen. Er ist der gefährlichste.«
»Der Kryptologe?« fragte der Rotschopf verwundert.
»Calderón ist kein gewöhnlicher Kryptologe. Er hat eine |459| militärische Ausbildung und ist topfit, zudem stark, beherrscht und sehr kaltblütig. Achte auf seine Reaktionen, so unbedeutend sie dir auch vorkommen mögen.«
In diesem Augenblick drehte Maliaño sich um und winkte Rachel und David, ihm zum Haupteingang zu folgen.
»Alles klar?« wollte Minspert wissen.
»Ich denke, ja«, antwortete der Agent.
»Gut. Hier hast du deine Eintrittskarte. Und jetzt raus mit dir. Häng dich an sie dran, wir wollen hören, was sie sich zu sagen haben. Das wird nämlich die größte Schwierigkeit sein: zu erraten, was sie dort vorhaben. Sowie wir es herausbekommen, geben wir dir durch, wo sie hinwollen, damit du auf deinem Plan gleich einen Fluchtweg suchen kannst.«
Der Agent stieg aus dem Kleintransporter und eilte über den Vorplatz, wo er sich vor dem Eingang einer Gruppe von Amerikanern anschloß. Minspert dirigierte ihn durch den Knopf im Ohr.
»Geh näher an sie ran … Jetzt heb die Videokamera hoch und stell das Objektiv ein bißchen schärfer … Okay, genau so, das Bild vom Architekten ist gut. Jetzt der Ton … Was ist das für ein Lärm im Hintergrund?«
»Schwalben. Hier wimmelt’s nur so davon«, teilte der Agent mit.
»Dann mußt du noch ein Stück näher an sie ran.«
Wenige Sekunden später konnte Minspert über den Kopfhörer Maliaños Worte hören, die der Dolmetscher für ihn übersetzte.
»Deine Mutter war ganz vernarrt in den Escorial«, versicherte Maliaño seinem Patenkind. »Sie sagte, für Philipp II. sei diese Klosteranlage so etwas gewesen wie das Weiße Haus, die Library of Congress, das Massachusetts Institute of Technology und das Pentagon zusammengenommen. Das Modell einer modernen Staatsregierung, das die Jahrhunderte überdauern sollte. Was den Escorial zum idealen Ort machte, um hier wahre Schätze aufzubewahren. Sara kam her, um sich für einen ganz bestimmten Zweck Notizen zu
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