Kryptum
Grindschädel. Andererseits würde mir die Reise die einmalige Gelegenheit bieten, den letzten, hoffentlich noch lebenden Geschworenen ausfindig zu machen und ihn um den zwölften Pergamentkeil zu bitten.
Artal mußte meine Gedanken wohl erraten haben, denn er begann nun zu sticheln:
›Zögert Ihr etwa? Für die Juden seid Ihr als Kurier von Konstantinopel bis nach Yuste gereist, und jetzt weigert Ihr Euch, gleiches für Euren König zu tun?‹
›Es wird mir eine Ehre sein‹, blieb mir darauf nur zu antworten und mit einer tiefen Verbeugung die Mission zu übernehmen.«
Raimundo Randa greift nach der Hand seiner Tochter Ruth und sieht sie verständnissuchend an, während er sich und ihr seine damalige Lage noch einmal vergegenwärtigt.
»Ich mußte ihre versteckten Drohungen ernstnehmen, denn sie schlossen auch euch ein, dich und Rebecca. Mir war bewußt, daß ihr von jenem Moment an ihre Geiseln wart, die Gewähr für meine Ergebenheit und mein Stillschweigen über alles, was ich gesehen und gehört hatte. Vielleicht kannst du jetzt verstehen, warum ich euch damals verlassen mußte. Als man mich entließ, kehrte ich nur zögerlich nach Antigua zurück. Wie schwer fiel es mir, euch diese Nachricht zu überbringen. Wie sollte ich euch beibringen, daß ich mich erneut zahllosen Gefahren aussetzen mußte? Ich, der ich deiner Mutter |451| versprochen hatte, euch an einen sicheren Ort zu bringen, wo sie nicht ständig auf der Hut sein und die Augen offenhalten mußte, wie es von den Hasen heißt, die mit offenen Augen schlafen, um beim geringsten Anzeichen von Gefahr fliehen zu können.
Sie weinte so bitterlich, als ich ihr von meinem neuen Auftrag berichtete, daß ich zu Manuel Calderón gehen und ihn um den größten aller nur möglichen Gefallen bitten mußte: meine Frau und meine Tochter in seinem Haus aufzunehmen, solange ich außer Landes sein würde. Ich bat auch Juanelo Turriano, auf euch achtzugeben, und selbst Herrera, dessen Ansehen bei Hof außer Frage stand, schließlich hatte ich mit eigenen Augen gesehen, daß er der einzige war, der dem obersten Spion die Stirn zu bieten vermochte. Alle drei beschwor ich, jegliches Unheil abzuwehren, das man euch in meiner Abwesenheit womöglich zufügen wollte, bevor ich schweren Herzens eines Morgens bei Sonnenaufgang gen Süden aufbrach.
Zuerst ritt ich nach Granada, um meinem Onkel Víctor de Castro in seinem Kloster einen Besuch abzustatten. Bei meiner Ankunft war er noch guter Dinge, was sich jedoch änderte, kaum hatte ich ihm die Wechselfälle meines Lebens geschildert. Als ich ihm die elf Pergamentkeile zeigte, die ich in meinem Gürtel verborgen bei mir trug, wußte er mir nichts weiter zu sagen als:
›Etwas Vergleichbares habe ich hier noch nie gesehen. Und es scheint mir auch nicht von dem Ort zu stammen, an den du reist.‹
›Aber das Pergament wurde dereinst in Fes gefunden‹, beharrte ich.
›Nun, vielleicht kann man dir dort wirklich weiterhelfen. Dennoch, zeig es lieber nicht herum. Und sei sehr vorsichtig, wenn du darüber Fragen stellst.‹
Danach erzählte er mir, was er über Alonso del Castillo wußte, mit dem er weiter an der Sammlung und Entschlüsselung arabischer Kodizes und Inschriften gearbeitet hatte.
›Während des Krieges in den Alpujarras hat Don Alonso sich |452| als Dolmetscher betätigt. Don Juan de Austria hat die Morisken unter großem Blutvergießen besiegt.‹
›Von diesem Gemetzel habe ich gehört‹, erklärte ich. ›Nach dem, was Don Alonso dort mit angesehen hat, muß es für ihn doch schrecklich sein, den Feinden seiner Väter und Großväter zu dienen.‹
›Vielleicht hat er so die Seinen vor noch größerem Übel bewahrt. Und vielleicht hilft ihm das Sammeln der maurischen Handschriften ja, seinen Stolz zu bewahren und seinem Leben einen Sinn zu geben. Würdest du das nicht auch tun?‹
Mir wurde klar, daß ich im Grunde genau das gleiche für meine Familie tat. Und ich erinnerte mich an das, was mir Alcuzcuz über seine Vorfahren erzählt hatte, über ihre Paläste und Moscheen und wie ihnen das alles geholfen hatte, ihr Sklavendasein und den unbändigen Groll über die demütigenden Brandzeichen im Gesicht zu ertragen.
›Und Artal de Mendoza? Wer ist dieser Mann mit der silbernen Hand wirklich?‹ fragte ich meinen Onkel.
›Der oberste Spion des Königs ist der Kopf des königlichen Geheimdienstes, ihm unterstehen unzählige Agenten, Berichterstatter, Verbindungsleute und Geheimkuriere … Über
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