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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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vor ihm aus und erklärte ihm, wie sie in meinen Besitz gekommen waren.
    ›Ich verstehe‹, sagte er daraufhin nachdenklich, ›Euch fehlt das letzte Fragment, mein Keil. Aber ich habe ihn nicht mehr.‹
    Ich konnte meine Enttäuschung nicht verbergen, weshalb der alte Mann sich wohl genötigt fühlte, mir den Verlust des Pergaments näher zu erklären.
    ›Ich hatte ihn im gefütterten Buchdeckel eines der Kodizes verborgen, die sich Maluk, dieser vermaledeite Kaufmann, mitsamt meinen ganzen Besitztümern einfach angeeignet hat! Um sich selbst schamlos an meinem Hab und Gut bereichern zu können, hat er nichts unversucht gelassen, damit man mich für verrückt erklärte und hier einsperrte. Es ist ihm gelungen, wie Ihr seht. Er ließ mir gerade noch die Kleider, die ich auf dem Leib trug. Und ich bin nur noch am Leben, weil es mir gelang, bei ihm in Vergessenheit zu geraten.‹
    ›Erinnert Ihr Euch zumindest noch an den Titel jenes Kodexes?‹ fragte ich mit flehender Stimme und griff nach seiner Hand.
    Er schüttelte den Kopf. Verzweiflung überkam mich. Doch ich durfte sie nicht die Oberhand gewinnen lassen, vielleicht war ja noch nicht alles verloren. Also zeigte ich auf die elf Fragmente und fragte:
    |493| ›Ihr seid der einzige noch Lebende, der das Pergament gesehen hat, bevor die Toledanos es 1492 in zwölf Keile zerschnitten und auf die zwölf Familien aufgeteilt haben. Was für eine Form hatte dieses Pergament?‹
    ›Es war quadratisch.‹
    Ich nahm die elf Keile und legte sie so aneinander, daß sie ein Quadrat bildeten.
    ›War es so?‹ fragte ich ihn.
    Er sah es sich lange nachdenklich an, mußte dann jedoch zugeben:
    ›Ich weiß nicht.‹
    Ich wiederholte denselben Vorgang ein ums andere Mal, probierte die verschiedensten Kombinationen aus, erhielt aber immer die gleiche unschlüssige Antwort.
    ›Man müßte es lesen können, dann wäre alles viel einfacher‹, sagte der Greis schließlich.
    ›Wie … lesen? Wollt Ihr damit sagen, daß diese Linien Schrift sind?‹
    ›Ja sicher, wenn auch nur der Rabbiner Toledano sie zu entschlüsseln wußte. Wie ich gehört habe, ist es eine Kunst, die aus Mesopotamien stammt und die heute nur noch sehr wenige Kalligraphen beherrschen. Vielleicht dort … oder in Mekka …‹
    ›Beides ist sehr weit weg.‹
    ›Dort soll es die besten Kalligraphen geben‹, meinte Cansinos hartnäckig.
    ›Wenn ich Moisés Toledano richtig verstanden habe, hatte man damals einige Maurer damit beauftragt, an den wichtigsten Gebäuden rund um Azarquiels Häuserblock Zeichen anzubringen, damit derjenige, der mit den zwölf Keilen zurückkehrte, wissen würde, wo er nach dem Eingang zu suchen hatte. Was sind das für Markierungen?‹
    ›Es ist nicht dieselbe Schriftform wie dieses Labyrinth, sie besagen aber dasselbe. Man hat sie einfacher gestaltet, mit Ziegelsteinen. Ich habe gehört, daß alle so gekennzeichneten Gebäude durch einen unterirdischen Gang verbunden sind, der |494| in einen tiefen und riesigen Schacht mündet, von wo aus man bis zum Schatz vordringen kann. Und dieser Schacht soll mehrere Stockwerke und Säle haben, wovon einige sogar bewohnbar seien. Die Anordnung der Räume und Gänge sei aber so verworren und verzweigt, daß diejenigen, die sich hineinwagten, kaum wieder herausfanden. Und auf diesem Pergament sei der einzige Weg gezeigt, der einen nicht in die Irre führt. Deshalb braucht man es: um zunächst die Eingänge zum Labyrinth zu erkennen; um sich, ist man einmal drin, nicht zu verirren und gegen die Gefahren gewappnet zu sein, die einen dort erwarten; und um den Ausgang wiederzufinden.‹
    Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Dann fragte ich ihn nach der ›Sarazenischen Chronik‹, die man zum Binden seiner Kodizes verwendet hatte.
    ›Davon hatte ich nicht die geringste Ahnung. Ich habe sie schon mit diesem Einband gekauft‹, bekannte er.
    Seine Verwunderung wirkte so echt, daß ich ihm glaubte, weshalb ich ihm nur erklärte, ich müsse auf Maluks Rückkehr aus Kairo warten, um herauszufinden, wo sich seine Bücher befänden, da ich nicht ohne die ›Chronik‹ nach Spanien zurückkehren dürfe.
    Während ich verwirrt und erschöpft mit Tigmú in die Herberge zurückkehrte, ging mir auf, wie gefährlich diese Zeit des Wartens werden könnte. Nahezu ganz Fes wußte, daß ich auf der Suche nach ein paar von spanischen Schiffen erbeuteten Büchern war, und ich erinnerte mich auch an die Warnungen des Buchhändlers Muley Idris, weshalb ich

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