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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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beschloß, bis zu Maluks Rückkehr ein so zurückgezogenes Leben wie nur irgend möglich zu führen …«
    Randa verstummt erneut. Denn nichts von dem, was daraufhin geschah, kann er seiner Tochter erzählen. Selbst ihn peinigen noch die Erinnerungen an jene Tage, die ihm nun wieder in den Sinn kommen. Wie sollte er Ruth gestehen, was zwischen ihm und Tigmú geschehen war?
    Als er sich an jenem Abend in seiner Kammer hinlegen wollte, hatte er nicht mit dem Temperament der jungen Frau gerechnet |495| , die unverhohlen ihre Freude darüber zeigte, daß es ihr gelungen war, ihn zu überraschen und kurzerhand zu Cansinos zu führen, den zu finden ihm bis dahin so schwierig erschienen war. Und ebensowenig hätte er sich ausmalen können, mit welcher Unbefangenheit Tigmú zu ihm ins Bett kroch und sich taub stellte, als er sie aufforderte, es auf der Stelle wieder zu verlassen. Er mußte sie regelrecht aus seinem Bett zerren und zu ihrem Lager stoßen, wo sie in der Sprache ihrer Mutter unverständliche Worte grummelte, die sicher lauter Flüche und Beleidigungen waren. Sie war erst still, als er mit seinen beiden Sandalen nach ihr warf.
    Er sollte bald erfahren, als was sie ihn beschimpft hatte. Am nächsten Morgen lief sie bereits früh zum Markt. Sie brachte jedoch nicht nur etwas zu essen mit, sondern auch einen jungen Burschen. Es war ein hübscher Junge, ungefähr in ihrem Alter, und zuerst glaubte er, es handele sich um einen Freund, den Tigmú zufällig getroffen hatte. Doch er sollte sich gewaltig täuschen.
    »Schau, was ich hier habe. Der ist für dich«, sagte sie mit spöttischer Miene und klopfte dem Jungen bedeutungsvoll aufs Hinterteil.
    Da zog er sie beiseite. »Hör zu, Tigmú, ich weiß, du hast es nett gemeint, aber Männer gefallen mir nicht.«
    »Und warum willst du mich dann nicht? Was ist los mit dir?«
    »Ich habe so meine Gründe«, war seine ausweichende Antwort.
    Seine Gründe: Das war die Erinnerung an Rebecca, an ihre türkisblauen Augen, die ihm überallhin folgten und seine Träume beherrschten, in denen er sich vor Sehnsucht nach ihr verzehrte, und das so lebendig, als schliefe sie neben ihm. Außerdem kam ihm Tigmú so zart vor, daß er Hemmungen hatte. Sie ist ja fast noch ein Kind, sagte er sich, wie um sich selbst zur Einsicht zu bringen.
    Aber die Mulattin schien da ganz anderer Ansicht zu sein.
    »Aha, du hast dafür also deine
Gründe
…«, entgegnete sie und schürzte verächtlich die Lippen. »Gib mir bitte ein paar Münzen |496| . Ich will heute nachmittag in den Hamam gehen, um zu baden, und dazu brauche ich noch Seife und Duftwässer.«
    Als wenn er nicht schon genug Sorgen hätte, und nun auch noch Tigmú. Er war von ihr und ihrer Verschwiegenheit abhängig, zumindest bis Maluk aus Kairo zurückkehrte. Er gab ihr also das Geld, nur damit sie ihn in Frieden ließ. Er kannte ihre Sturheit noch nicht.
    Nach ein paar Stunden kam sie frisch duftend zurück. Doch nicht allein. Dieses Mal brachte sie ein Mädchen mit, das ein bißchen älter war als sie. Und weiß.
    »Das ist das weißeste und schönste Mädchen, das es im ganzen Hamam gab«, erklärte sie.
    Die beiden lachten verschwörerisch.
    »Ach Tigmú, das ist es nicht. Und du bist zudem viel schöner«, sagte er zu ihr. Und das nicht nur, weil es sich so gehörte.
    »Nun gut«, gestand sie, »vielleicht habe ich nicht gerade die allerschönste mitgebracht, die ich im Hamam gesehen habe. Ich gebe es ja zu, ich wollte nicht, daß sie schöner ist als ich. Aber jedenfalls ist sie von weißer Hautfarbe. Ist es nicht das, was du möchtest? Eine blasse, farblose Frau?«
    Als einzige Antwort legte sich Randa auf sein Bett und drehte sich zur Wand, während Tigmú das Mädchen laut schimpfend aus dem Raum zerrte. Eine Weile später hörte er die beiden Mädchen wieder kichernd hereinkommen und sich auf Tigmús Lager legen. Sie kicherten die ganze Nacht. Und nicht nur das. Ihm schien, daß er sie auch keuchen hörte, ohne genau zu wissen, ob das Keuchen echt war oder sie sich nur über ihn lustig machten.
    Sie ließen ihn kaum schlafen. Am nächsten Morgen knöpfte er sich Tigmú vor, während sie das Frühstück aufwärmte. Ihre Antwort verschlug ihm die Sprache.
    »Vergiß nicht, daß meine Mutter eine Kurtisane war, die viel geschliffenere Manieren hatte und wesentlich gebildeter war als alle anderen. Sie hat mir so manches über die Männer beigebracht …« Sie blickte ihn herausfordernd an und fügte dann |497| hinzu: »Und

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