Kryptum
auf dem ich aus Spanien floh.‹
›So ist nun mal der Lauf die Dinge. Falls Fartax jemals beim Sultan von Konstantinopel in Ungnade fallen sollte, wird man sich im Alkazar von Madrid um sein Wohlwollen bemühen und ihm vorschlagen, sich von den Türken loszusagen und die Berberei unter den Schutz der spanischen Krone zu stellen. Im übrigen hat Artal auch hier in Algier seine Agenten, die unsere christlichen Gefangenen zur Rebellion aufwiegeln. Erst gestern haben wir wieder zwei davon erwischt.‹
Da kam mir der Mann in den Sinn, den man am Auge aufgehängt hatte, und auch der andere, der zweigeteilt in ein Faß mit ätzendem Kalk gesteckt worden war. Ich muß wohl so blaß geworden sein, daß Alcuzcuz glaubte, mich beruhigen zu müssen.
›Keine Sorge, Fartax wird dich sicher nicht pfählen lassen. Er hat sich um weitaus Wichtigeres zu kümmern. Er ist jetzt Großadmiral des Osmanischen Reiches und überwacht die |513| ganze Berberei, von Alexandria im Osten bis zum Königreich Marokko im Westen. Ach übrigens, ich habe mit ihm gesprochen, er wird uns heute abend empfangen.‹
Ich sagte nichts darauf, dachte mir aber, daß so etwas auch nur mir passieren konnte. Ahnungslos hatte ich mich in die Höhle des Löwen begeben. Und hier war ich nun, weit weg von Rebecca und dir und mitten zwischen meinem ehemaligen Sklaven und meinem ehemaligen Herrn. Was wollte ich mehr?
Als wir zu Euldj Ali vorgelassen wurden, war gerade seine Mutter, Pippa de Chico, bei ihm. Später erfuhr ich, daß sie viel Zeit in Grindschädels luxuriösem Palast in Konstantinopel verbrachte, wo sie wie eine Sultanin behandelt wurde. Aber die gute Frau vermißte ihr bescheidenes Fischerhäuschen in Kalabrien, und dickköpfig, wie sie war, wiederholte sie ständig, auf christlichem Boden sterben zu wollen. Ihr Sohn zeigte ihr gerade seine Herrschaftsgebiete; falls ihr kein Flecken davon genehm sein würde, wollte er sie auf der Rückfahrt wieder in ihrem Geburtsort Licasteli absetzen, in der Nähe des Capo Colonna.
Die alte Dame hatte Charakter. Wegen ihrer Schwerhörigkeit redete sie sehr laut, und ihren Sohn rief sie bei seinem christlichen Namen, Dionisio. Und er gehorchte ihr wie ein kleines Kind.
›Mit dir habe ich noch ein Wörtchen zu reden‹, begrüßte er mich, als seine
Mamma
endlich einmal den Mund hielt. In seiner Stimme lag jedoch weder Wut, noch klang sie bedrohlich, vielmehr wirkte sie fast liebevoll.
Nachdem er seine Mutter hinausbegleitet hatte, bat er uns zu Tisch, wo ich bald feststellen konnte, daß er tatsächlich keinen Groll mehr gegen mich hegte. Er hatte den Turban abgenommen, so daß man seine vom Grind entstellte Glatze sah, von der er sich mit einem Taschentuch den Schweiß abwischte. Während des Essens besprach er mit Alcuzcuz zunächst einige Geschäfte, die ihm Sorgen bereiteten, und danach kam er auf unsere Angelegenheiten zu sprechen. Währenddessen |514| ließ er immer neue Gerichte auftischen, und auch an Wein fehlte es nicht, so daß ich Alcuzcuz anschließend helfen mußte, Fartax ins Bett zu bringen. Da dämmerte mir, daß der gefürchtete Euldj Ali inzwischen nur noch ein alter Mann war, der gern in seinen Erinnerungen schwelgte und dem Trunk zugetan war.
Wie gesagt, wir plauderten über vieles. Ich fragte ihn nach unserem gemeinsamen Bekannten in Konstantinopel, dem jüdischen Arzt Laguna, der Fartax’ Worten zufolge jedoch im Jahr zuvor gestorben war. Als wir dann auf Askenazi zu sprechen kamen, machte der alte Korsar eine so eindeutige Geste, daß seine weitere Erklärung eigentlich nicht nötig gewesen wäre.
›Gepfählt haben wir ihn. Das war das mindeste, was wir ihm schuldig waren‹, sagte er lachend.
Obgleich ich Ishaq und Fartax meine Mission nicht in allen Einzelheiten offenbart hatte, konnte ich ihnen doch nicht verschweigen, daß sowohl ich als auch Rebecca und du, meine Tochter, in Lebensgefahr schwebten, sofern ich Cansinos’ Bücher nicht auftrieb, die Maluk mit nach Ägypten genommen hatte.
›Ich weiß nicht einmal, ob dieser Kaufmann die Reise unbeschadet überstanden hat‹, mußte ich eingestehen, ›ich konnte in Fes leider nicht mehr länger auf ihn warten. So kann ich nur vermuten, daß er die Bücher tatsächlich dem Wesir von Kairo überreicht hat.‹
In jenem Moment sagte Fartax nichts. Doch einige Tage später ließ er mich rufen und erklärte:
›Meiner Mutter bekommt Algier überhaupt nicht, sie klagt unentwegt. Deshalb möchte ich ihr Alexandria zeigen,
Weitere Kostenlose Bücher