Kryptum
deshalb zwei unbequeme Zeugen aus dem Weg geschafft haben«, murmelte Bealfeld nachdenklich.
»Drei«, korrigierte David.»Sie haben auch Jonathan Lee kaltgemacht, der mit meinem Vater zusammen in der NS A-Klinik lag.«
»O Gott … Wenn sie sogar einen amerikanischen Staatsbürger dafür ausschalten, dann schrecken sie vor nichts mehr zurück … Na ja, versuchen Sie ein wenig zu schlafen, bis Doktor Vergara kommt.«
»Möchten Sie sonst noch etwas, Señor Calderón?« fragte Rachel.
»Ja. Daß Sie mich nicht länger Señor Calderón nennen. Ich finde, es ist an der Zeit, daß wir uns duzen.«
»Ich weiß nicht, ob ich das kann.« Rachel lächelte. »Ich habe inzwischen Gefallen an dem ›Señor Calderón hier, Señor Calderón da …‹ gefunden. Ich komme mir vor wie in einer dieser alten englischen Komödien.«
»Rachel …«
»Was ist?«
»Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll …«
»Versuchen Sie, zur Abwechslung einfach einmal nett zu sein.«
»Ich wollte mich nur bei dir bedanken. Ich weiß, das du gerade Schreckliches durchmachst, erst das Verschwinden deiner Mutter, dann Maliaños Tod … Und trotzdem ziehst du mit und läßt dir nicht anmerken, wie sehr dich das alles bedrückt.« Er stockte und mußte sich erst räuspern, bevor er weitersprechen konnte. »Also, was ich eigentlich sagen wollte:Wenn du nicht |589| gewesen wärst, hätten sie aus meinem Kopf Brei gemacht. Danke.«
»Brei? Na, ich würde eher sagen Sägemehl … Schlaf ein wenig.«
»Bealfeld und Ms. Toledano sind gerade aus dem Zimmer gegangen«, sagte der Agent und löste das Auge vom Zielfernrohr seines Gewehrs. »Aber ich bekomme diesen verdammten Kryptologen einfach nicht ins Visier, egal wie ich mich hinstelle.«
»Laß mal sehen …«, befahl James Minspert und schob ihn beiseite. »Klar … Wie willst du Calderón auch treffen, wenn dieser Baum im Weg steht? Konnte Gutiérrez uns nichts Besseres als dieses Loch hier beschaffen?«
»Es war das einzige, das gegenüber von diesem Krankenhauszimmer frei war.«
»Dann müssen wir zu anderen Mitteln greifen«, erklärte Minspert, während er ihm die Waffe zurückgab.
»Unmöglich. An allen Zugängen sind Sicherheitskräfte aufgestellt worden, und das Personal wird streng kontrolliert.«
»Dann müssen wir eben diesen Baum fällen.«
»Wir sind schon dabei, Mr. Minspert. Aber das Fällen müssen die städtischen Mitarbeiter übernehmen, um keinen Verdacht zu erwecken.«
»Dann geben wir Ihnen einen guten Vorwand.«
»Das haben wir schon. Morgen früh wird der Baum komplett vertrocknet sein.«
Daniel Kahrnesky, der sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten hatte, platzte nun der Kragen.
»Morgen wird es zu spät sein! Mit Calderón unter den Fittichen von diesem Neurologen haben sie bis dahin viel zuviel herausgefunden. Wir müssen sofort handeln.«
Als Rachel und Bealfeld in Davids Zimmer zurückkamen, wurden sie von Doktor Vergara und Víctor Tavera begleitet. »Wie geht es Ihnen?« begrüßte ihn der Arzt.
|590| »Mein Kopf fühlt sich wie ein Mixer an.«
»Das wundert mich nicht, wenn ich sehe, was wir hier aufgezeichnet haben.« Er zeigte ihm eines seiner EEGs. David erkannte es sofort wieder: die Kreisform, das Labyrinth, das an die Windungen eines Gehirns erinnerte … Unverwechselbar.
»Wie … wie haben Sie das nachgezeichnet?«
»Wieso ich? Das waren Sie. Ich habe lediglich ein paar Computerprogramme angewendet, um das, was sich in Ihrem Kopf abspielte, zu verstärken und auszuwerten. Damit konnte ich die ganzen Vorgänge sichtbar machen. Das ist nur zerebrale Kartographie.«
»Wo ist mein Regencape? Könnten Sie es mir bitte holen? In der Innentasche befinden sich einige Papiere, die wichtig sind.«
Rachel ging zum Schrank und suchte in den Taschen des Regenmantels nach dem Gewünschten. David blätterte die Bögen durch und zeigte ihnen einen davon.
»Sehen Sie sich das an. Diese Unterlagen hier hatte mir Gabriel Lazo geliehen. Sie sind von meinem Vater. Es sind seine letzten Arbeiten.«
|591| Doktor Vergara legte das Blatt neben sein Elektroenzephalogramm und betrachtete beide Grafiken schweigend. Dann reichte er sie an die anderen weiter und sah David neugierig an.
»Dem Elektroenzephalogramm nach zu urteilen, sucht Ihr Gehirn das gleiche, wonach schon das Ihres Vaters gesucht hat. Wir haben es aufgezeichnet, während Sie diesen Traum, oder wie immer man diesen Zustand bezeichnen soll, gehabt haben. Während Ihr Gehirn diese Bilder generiert
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