Kryptum
Truppen 711 den Westgotenkönig Rodrigo in der Schlacht am Guadalete vernichtend geschlagen hatten. Ihre Mutter schrieb mich in dem Moment an, als wir zu unserer ersten Expedition aufbrachen. Und ich muß sagen, sie schickte der Himmel.«
»Warum das?«
»Durch die Finanzspritze der Stiftung verdoppelten sich zum einen unsere Mittel; zum anderen ebnete Sara uns aber auch den Weg, um die amerikanischen Satelliten benutzen zu können. Aus der Luft konnten wir alte Wasserläufe und unter dem Sand verschüttete Bauwerke entdecken. Mit diesen Daten zogen wir einen Kreis von etwa hundertfünfzig Kilometern und begannen mit der Suche.«
»Und meine Mutter begleitete Sie?« fragte Rachel verwundert.
»Nein. Ich glaube, die Ausgrabungen an und für sich interessierten |646| Sara nicht besonders. Sie machte sich auch nicht viel aus der Omaijadenkunst. Nein, sie suchte etwas anderes.«
»Hat sie Ihnen nicht gesagt, was?«
»Ich habe versucht, etwas aus ihr herauszubekommen, aber da war nichts zu machen. Anfangs hat mich das nicht weiter gestört, denn mit ihren Geldern kamen wir sehr schnell voran. Am Ende der ersten Forschungsreise stießen wir auf ein Gebäude, das ziemlich tief im Sand vergraben war. Alles sprach dafür, daß das unser Wüstenpalast war … Das war vor drei Jahren. Die Ausgrabung war ziemlich aufwendig. Die Wüstenstürme hatten den Palast unter Tonnen von Sand begraben. Als erstes kam eine Kuppel zum Vorschein. Ich rief sofort Ihre Mutter an. Sie wirkte sehr aufgeregt und löcherte mich mit Fragen zu unserer Entdeckung. Ich versuchte, sie ihr so gut wie möglich zu beantworten, und schickte ihr ein paar Fotos. Und mit dem nächsten Flieger tauchte sie bei uns auf der Ausgrabungsstätte auf.«
Elvira Tabuenca hielt inne und stand auf, um in einem Schrank nach einem Dossier zu suchen. Sie reichte Rachel ein paar Fotos.
»Es war ein herzlicher Besuch. Sara interessierte sich sehr für den Fortgang der Arbeiten und drängte mich, noch mehr Leute einzustellen, um die Ausgrabung voranzutreiben. Ich bedankte mich und sagte, ich würde darüber nachdenken, und sie flog in die Vereinigten Staaten zurück … Nun denn … Ich überlegte also hin und her, und derweil nahte das Ende der Expedition. Doch eines Tages, wir packten schon unsere Sachen zusammen, tauchte ein Kerl auf, der sich als Repräsentant der Stiftung vorstellte.«
»Erinnern Sie sich noch an seinen Namen?«
»Anthony Carter. Er sagte, er sei der Geschäftsführer der Stiftung. Außerdem zeigte er uns ein Empfehlungsschreiben der amerikanischen Botschaft. Natürlich war er kein Fachmann für Omaijadenkunst. Jedenfalls wollte dieser Kerl dasselbe wie Ihre Mutter: die Ausgrabungen beschleunigen. Er erklärte mir, die Stiftung stecke gerade in einem finanziellen Engpaß, weshalb |647| wir bald von anderen Stellen Mittel besorgen müßten. Beim Abschied insistierte er, daß ich Sara nichts von alldem erzählte; sie sollte nicht einmal erfahren, daß er da gewesen sei …«
Die Archäologin schwieg. Als sie die Wirkung sah, die ihre Worte auf Rachel hatten, kam sie jedoch nicht umhin, weiterzureden.
»Mein Eindruck war, daß er mir ein paar seiner eigenen Leute aufdrücken wollte, die mich kontrollieren sollten. Und für solche Spielchen bin ich schon etwas zu alt. Außerdem standen wir kurz vor der kompliziertesten Ausgrabungsphase, dem Inneren des Gebäudes, und ich wollte in aller Ruhe und mit meinen eigenen Leuten arbeiten, für die ich die Hand ins Feuer legen kann. Also redete ich mich irgendwie heraus. Darauf blickte er mich auf eine Weise an, die mir ganz und gar nicht gefiel, und verabschiedete sich mit den Worten: ›Wir sehen uns wieder.‹«
»Und? Hat er Wort gehalten?«
»Das will ich meinen! Sie werden es gleich hören … Meinem Plan nach wären wir im darauffolgenden Sommer fertiggeworden. Dann hätten wir den Wüstenpalast von außen ganz freigelegt und ins Innere vordringen können. Da Ihre Mutter noch einmal gedrängt hatte, die Arbeit zu beschleunigen, warb ich weitere Mitarbeiter an, Studenten von der Fakultät. Ich hatte meine Mannschaft beinahe zusammen, als ich einen Anruf des Vorarbeiters erhielt, der mir aufgeregt mitteilte, ich solle so bald wie möglich kommen, da etwas gegen uns im Gange sei. Ich beendete meine Vorlesungen also vorzeitig, flog nach Qasarra, und wissen Sie, was ich dort vorfand …? Warten Sie, ich zeige Ihnen etwas, damit Sie das besser verstehen.«
Sie ging zu einem Aktenschrank und suchte darin
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