Kryptum
ich schnell jemanden fand, der mich zum Hafen von Jaffa an der palästinischen Küste mitnahm. Und dort nahm ich das erste Schiff, das mich zurück nach Spanien bringen würde.«
Bevor seine Tochter gehen muß, erkundigt sich Randa noch einmal genau:
»Wir treffen uns also im Barranco del Moro?«
»Ja sicher. Verborgen im Röhricht werden wir dort auf Euch warten.«
»Vergiß morgen nicht, den Wandteppich mitzubringen.«
»Seid unbesorgt. Aber wie wollt Ihr es schaffen, Artal de Mendoza doch noch zu überzeugen?«
»Das wirst du gleich sehen.«
Als der oberste Spion die Tür öffnet, begleitet Randa seine Tochter die Treppe hinauf. Er blickt dem Mann mit der Maske offen ins Gesicht.
»Ihr solltet mir Eure Hand geben, damit ich sie reparieren kann. Wenn Ihr sie mir morgen abend zusammen mit meinen Goldschmiedezangen überlaßt, könnt Ihr sie am nächsten Morgen wieder schmerzfrei benutzen.«
»Und was mache ich ohne sie?«
»Es ist doch nur eine Nacht. Danach werdet Ihr dieses Martyrium los sein.«
»Was habt Ihr vor?« fragt Artal de Mendoza mißtrauisch. »Seid gewarnt, Randa. Ich werde mich dadurch nicht erweichen lassen. Morgen ist der letzte Tag, an dem Eure Tochter zu Euch kommen kann, und dabei bleibt es.Übermorgen beginnt das ordentliche Inquisitionsverfahren. Dann haben andere die Gewalt über Euch.«
Trotz dieser Worte scheint Artal de Mendoza zu schwanken. |641| Er senkt den Kopf, als stimme er zu. Doch dann dreht er sich noch einmal um und blickt Randa in die Augen.
»Worauf seid Ihr aus? Ihr führt doch etwas im Schilde.«
»Ich möchte Euch nur um eine Gefälligkeit bitten.«
»Hab ich’s doch gewußt!«
»Erlaubt meiner Tochter, einen Teppich mitzubringen. Die Feuchtigkeit und Härte dieser Steinbank setzen mir sehr zu. Mir tun alle Knochen weh.«
Artal de Mendoza schweigt. Er ist nach wie vor mißtrauisch. Doch Zweifel nagen an ihm.
Randa zeigt auf das Verlies und fragt sarkastisch:
»Oder fürchtet Ihr, es könnte einer jener fliegenden Teppiche aus den Märchen der Mauren sein? Glaubt Ihr, ich könnte damit durch diese Luke dort oben entfliehen? Allein die Vorstellung beleidigt den gesunden Menschenverstand! Da hinauf kommt keiner, nicht einmal auf den Schultern von fünf stattlichen Männern!«
Der oberste Spion sagt noch immer kein Wort. Randa weiß, daß er um nichts in der Welt aufhören darf zu reden. Aber er weiß auch, daß seine Worte wohlüberlegt sein müssen. Er darf sich jetzt keinen Fehler erlauben.
»Ich rede von dem Wandteppich, an dem meine Frau gewebt hat, bevor sie starb. Meine Tochter hat ihn für mich fertiggestellt. Ich würde mich sehr viel besser fühlen, wenn ich die Zeit, die mir noch bleibt, auf diesem Teppich schlafen könnte. Rebecca hat bis zu ihrem letzten Atemzug daran gearbeitet.«
Artal blickt ihn an. In seinen Augen entdeckt Randa eine Mischung aus Überraschung und Respekt. Vielleicht ist es aber auch Neid. Der Neid eines Mannes, der nur die käufliche Liebe kennt und niemanden hat, der ihm die Einsamkeit des Alters erträglicher macht.
Er räuspert sich und erklärt dann mit einer Stimme, die rauher und matter denn je klingt:
»Ich werde darüber nachdenken.«
|642| 11 Der leere Thron
Als Bealfeld sie im Krankenhaus abholen kam, war Rachel Toledano Minsperts letzter Anruf immer noch nicht aus dem Kopf gegangen. Während sie in den Wagen des Kommissars stieg, dachte sie an all das, was sie aufs Spiel setzte. Sie konnte die kaum verhüllten Drohungen dieses Mannes, der die National Security Agency auf seiner Seite hatte, nicht mehr länger ignorieren. Seit sie ihr Schicksal mit dem David Calderóns verbunden hatte, steckte sie in einer Zwickmühle. Minspert hatte recht: Ihre Karriere wäre keinen Pfifferling mehr wert, wenn sie der NSA die Stirn bot. Doch was zählte jetzt ihre Karriere, bei allem, was gerade geschah? Ihre Mutter war spurlos verschwunden, und kein Mensch wußte, ob sie noch lebte. Und wenn sie nicht achtgab, wäre sie vielleicht die nächste.
Ein lautes Hupen riß sie aus ihren Grübeleien. Bealfeld hatte vor der heruntergelassenen Schranke des Parkplatzes gehalten und schimpfte ärgerlich vor sich hin.
»Wir kommen zu spät. Wo steckt bloß dieser verdammte Parkwächter?«
»Warte, John, ich schaue, ob ich ihn finde.«
Rachel stieg aus dem Auto und sah sich suchend um. Sie |643| fand den Mann hinter dem Wachhäuschen, wo er wütend auf zwei städtische Angestellte in den grünen Overalls des Gartenbauamts einschrie,
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