Kryptum
vorgehen … Ein Verdacht stieg in ihr auf, wer dahinterstecken könnte.
»Vorhin haben Sie von einem Satelliten erzählt, mit dem Sie den Wüstenpalast geortet haben. Haben Sie die Unterlagen dazu vielleicht hier?«
»Ich glaube ja.«
»Könnte ich sie sehen? Es gibt in den USA ein Gesetz, das die Verwendung von Satellitenbildern, die die Sicherheit Israels betreffen, streng einschränkt. Irgendwer muß für diese konfliktgeladene Gegend die Erlaubnis erteilt haben.«
»Hier sind sie«, antwortete Elvira Tabuenca und reichte ihr eine Ringmappe.
Rachel mußte die Seiten nur überfliegen, um ihren Verdacht bestätigt zu sehen: James Minspert! Was hat er mit Carter zu schaffen? fragte sie sich, bevor sie sich selbst gleich die Antwort gab: Er hat ihn in der Hand. Die Agency ist in der Lage, sich über jeden kompromittierende Informationen zu beschaffen. Als wenn ich das nicht am eigenen Leib erfahren hätte! Damit kann man jeden erpressen. Carter hat offensichtlich unter großem Druck gehandelt.
»Und meine Mutter? Wie hat sie darauf reagiert?«
»Als sie hörte, was geschehen war, rief sie mich ganz zerknirscht an, bat mich um Verzeihung, nahm die ganze Schuld an dem Zusammenstoß auf sich und erging sich in Liebenswürdigkeiten. Selbstverständlich werde die Stiftung auch die Restaurierung der Gemälde bezahlen, beeilte sie sich zu erklären. Aber da ich bereits das Vertrauen verloren hatte, wies ich ihre Hilfe entschieden zurück. Kurz darauf unterzeichneten |653| wir ein Abkommen mit der spanischen Regierung über die Restaurierung. Das war nicht weiter schwierig, denn in Córdoba wurde gerade eine große Ausstellung über die Omaijaden vorbereitet, der Staat konnte also die finanzielle Unterstützung unseres Projekts medienwirksam nutzen.«
Aus unerfindlichen Gründen wurde Rachel immer nervöser. Sie wurde dieses ungute Gefühl einfach nicht los, das sie einige Minuten vorher beschlichen hatte. Sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen.
»Von welchem Zeitpunkt sprechen wir gerade?«
»Von Anfang dieses Jahres. Da waren wir mit der Restaurierung der Gemälde so weit, daß klar zu erkennen war, was unter dem jahrhundertealten Schmutz lag. Sara verfolgte die Arbeiten vor Ort, sie war jeden Tag mit uns im Thronsaal, traute sich aber nicht mehr, uns anzutreiben. Sie wußte, daß wir sie leicht ausbooten konnten. In dem Maße, wie wir die Gemälde freilegten, verhielt sich Ihre Mutter jedoch immer seltsamer. Sicher nicht mit Absicht. Sie wurde jedenfalls immer unruhiger. Ich würde sagen, und verzeihen Sie mir den Ausdruck, Señorita Toledano, sie wirkte fast, als hätte sie nicht mehr alle Tassen im Schrank.«
»Sie müssen sich nicht entschuldigen, ich kenne meine Mutter gut. Und wir wissen inzwischen, warum sie es so eilig hatte. Ihre Ärzte hatten ihr gesagt, daß ihr nur noch wenig Zeit bleibe.«
»Das tut mir sehr leid. Wen ich das gewußt hätte …«
»Das geht uns allen so …« Rachel senkte den Kopf. Nach einer Weile versuchte sie sich jedoch zusammenzunehmen und blickte auf. »Aber erzählen Sie bitte weiter.«
»Na gut … Es kam der Tag, an dem ich Sara, obwohl es mir dabei ganz weh ums Herz war, den weiteren Aufenthalt in Qasarra verbieten mußte. Sie wuselte ständig zwischen uns herum und ließ uns nicht mehr arbeiten. Ich versprach ihr, daß sie die erste sein werde, die die Fresken zu Gesicht bekomme, sobald ihre Restaurierung abgeschlossen sei. Und ich habe mein Wort gehalten. Sie sah sich im ganzen Thronsaal um und |654| kletterte dann entschlossen auf das Gerüst vor der Wandmalerei, die wir als letztes freigelegt hatten … Wissen Sie, wonach sie gesucht hat?«
Elvira Tabuenca machte auf dem Tisch etwas Platz und holte dann ein dickes Fotoalbum aus dem Aktenschrank.
»Das hier hat Ihre Mutter gesucht.«
Rachel sah sich die Aufnahmen genau an, konnte auf den Wandfresken aber nur ein paar stark beschädigte Figuren erkennen.
»Was ist das?«
»Das sind die Fresken aus dem Thronsaal des Kalifen al-Walid I.«, erklärte die Archäologin. »Hier, schauen Sie, das ist die Stirnseite des Saals. Auf diesem Fresko ist der Kalif selbst zu sehen; er sitzt unter einem Baldachin mit einer arabischen Inschrift. Die Fresken auf den Seitenwänden zeigen eine Reihe Könige, die ihm zum Zeichen ihrer Unterwerfung Geschenke bringen, das Wertvollste, was das jeweilige Land zu bieten hatte. Sie alle sind von den Heeren des Kalifen bezwungen worden. Auf diesen Fresken hier sind der Kaiser von Byzanz zu
Weitere Kostenlose Bücher