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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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los?«
    »Das erkläre ich dir im Auto.«
    Nach einer kurzen Pause nahm Rachel Toledano erneut vor dem Computer Platz, legte die CD ein und setzte ihre Lektüre von Saras Ausführungen fort. Bisher war sie noch nicht dahintergekommen, warum ihre Mutter dieses Speichermedium gewählt hatte, doch in diesem Moment entdeckte sie den Grund dafür. Und alles ergab auf einmal Sinn und nahm eine ungeahnte Dimension an. Es war unglaublich. Ihre Augen wurden immer größer, je mehr sie sich in die Beschreibungen vertiefte. Wie ist es möglich, daß sie mir von einer derartigen Entdeckung nichts erzählt hat? fragte sich Rachel, besser gesagt: Wie ist es möglich, daß wir alle so blind gewesen sind?
    Sie hatte soeben ein Dokument mit dem Namen CelLab geöffnet und entdeckt, daß diese englische Abkürzung
Cellular
Automata Lab
bedeutete, Labor für Zelluläre Automaten. Anscheinend war das der Fachbegriff für jene erschöpfenden Zeichnungen, die Pedro Calderón auf dem Millimeterpapier angefertigt hatte. Genaugenommen stellte CelLab die Computerversion davon dar.
    »CA steht also für
Cellular Automata,
zellulärer Automat«, murmelte sie. »Hier steht, so ein zellulärer Automat sei ein binäres Modell, das die Ordnung, die Übertragung und den Fluß von Informationen in der realen Welt simuliert. Er kann aber auch zur Klärung der Frage beitragen, wie Muster in der Natur entstehen, etwa das Wachsen eines Schneekristalls oder eines lebenden Organismus.«
    Die Datei CelLab war interaktiv und hatte unzählige Links zum Internet; man mußte nur einen davon anklicken, um auf die Websites des Massachusetts Institute of Technology, des Caltech in Kalifornien, des Institute for Advanced Studies der Universität Princeton und anderer renommierter Forschungseinrichtungen zu gelangen.
    Meine Mutter muß befürchtet haben, man würde ihr nicht |660| glauben, sagte sich Rachel. Deshalb führt sie hier diese ganzen Links auf. Um zu zeigen, daß es sich um ernsthafte Forschung handelt. Das ist typisch für sie!
    Das CelLab wurde durch eine ganze Reihe von Links zu Programmen vervollständigt, mit denen man die 256 Regeln für zelluläre Automaten entwickeln konnte. Was für Pedro Calderón jahrelange erschöpfende Arbeit bedeutet hatte, konnte man heute mit einem einfachen Tastendruck innerhalb weniger Minuten bewerkstelligen. Nun konnte sie Davids Zorn auf die NSA noch viel besser nachfühlen. Beim Gedanken an ihn wurden ihre Augen feucht.
    Diese Arschlöcher von der NSA hätten Davids Vater nur einen ihrer Computer überlassen müssen, um ihm den langen Leidensweg zu ersparen, dachte die junge Frau betrübt.
    Aber es gab noch mehr Offenbarungen auf der CD ihrer Mutter. In einer Datei packte Sara all das aus, was Pedro Calderón aufgrund der lebenslangen Geheimhaltungspflicht, die er in der NSA unterschrieben hatte, nie erzählen durfte. Und es fand sich auf der CD auch die Fortsetzung des Programms CA-110, das heißt des zellulären Automaten 110. Pedro hatte auf eigene Faust daran weitergearbeitet, nachdem man ihn bei der NSA gefeuert und Minspert es sich unter den Nagel gerissen hatte.
    Das eröffnete neue Perspektiven auf die rätselhafte Universalsprache, an der Davids Vater fast zwei Jahrzehnte lang gearbeitet hatte. Zunächst mit der Absicht, radioaktive Abfälle zu kennzeichnen. Dann, um mit Radioteleskopen und Raumsonden Nachrichten in den Weltraum zu schicken. Und schließlich, als Abraham Toledano ihn nach Antigua verbannt hatte, um … In Antigua mußte die Überraschung zutage getreten sein. Jetzt dämmerte es ihr, daß es diese Unabhängigkeit gewesen war, die es Pedro erlaubt hatte, diese außergewöhnliche Entdeckung zu machen, die eine offizielle Organisation ihm nie im Leben finanziert hätte.
    Nachdem sie die ganze Vorgeschichte zusammengefaßt hatte , kam Sara auf diesen entscheidenden Moment zu sprechen.
    |661|
Der schlimmste Teil unserer Geschichte spielte sich Anfang der
siebziger Jahre ab, als ich ihn in Antigua besuchte. Pedro sprach
nur noch von zellulären Automaten und vor allem von diesem
CA-110. Er war ganz besessen davon. »Danach habe ich fast
zwanzig Jahre lang gesucht«, sagte er, »ich habe alle möglichen
Kombinationen ausprobiert. Erst jetzt beginne ich zu verstehen,
warum die
NSA
mir das Programm entzogen hat.«
    Ich nenne es den schlimmsten Teil, weil die Leute an seiner
geistigen Gesundheit zu zweifeln begannen. Er konnte ihnen
nicht erklären, woran er arbeitete, es machte ihm aber auch

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