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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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Treppenstufen |700| steil nach unten. Schon nach ein paar Metern stand David mit den Füßen im Wasser. Hier konnten sie unmöglich hinuntersteigen. Sie würden es nicht einmal bis zu den Abwasserrohren am anderen Ende des Wasserturms schaffen. Dafür hätten sie besser ausgerüstet sein müssen. Doch dann hätten sie sicher Verdacht erregt. Kommissar Bealfeld hätte es nie im Leben zugelassen. Und James Minspert erst recht nicht. David stieg wieder hinauf zu Rachel, die vor der Tür ungeduldig auf ihn wartete.
    »Wir müssen uns einen anderen Eingang suchen.«
    »Du kennst den Palast«, sagte sie mit einem Blick auf das wenig einladende Gebäude. »Gibt es denn dort keine Kellerräume?«
    »Doch, aber als Kinder durften wir da nicht runter. Soweit ich mich erinnern kann, führt im linken Seitenflügel eine Treppe hinunter.«
    Sie betraten also wieder das Hauptgebäude, in das sie zuvor durch einen Seiteneingang hineingeschlüpft waren, da das Hauptportal von der Polizei versiegelt worden war. Die Unwetter der letzten Tage hatten in der Stadt einige Schäden angerichtet. Schon als sie in die Gasse eingebogen waren, in der Minsperts Männer zwei Tage zuvor versucht hatten, David umzubringen, war ihnen aufgefallen, daß sämtliche Gullys verstopft waren, die nun, da Gabriel Lazo tot war, natürlich niemand mehr reinigte. Jetzt sahen sie, daß es an mehreren Stellen hineingeregnet hatte. Um in das Seitengebäude zu gelangen, mußten sie ein paar Stufen hinunter in eine Art Zwischengeschoß steigen, in dem der Kohlenkeller und der Heizungsraum lagen. Hier stand das Wasser bereits knietief.
    Durch die dunkle Brühe, auf der Plastikflaschen, leere Dosen und sonstiger Unrat trieben, wateten sie bis zum Ende des Seitenflügels. Je näher sie den Steintreppen kamen, desto intensiver rochen sie den fauligen Gestank, der aus dem Keller heraufdrang.
    »Sei vorsichtig, David, die Stufen sind furchtbar glitschig«, sagte Rachel.
    |701| Der Anblick, der sich ihnen am Fuß der Treppe bot, war nicht gerade ermutigend. Der Kryptologe zeigte mit seiner Taschenlampe auf die Reihe großer Fässer, die sich entlang dem Ziegelgewölbe in der Dunkelheit verlor.
    »Warte, ich will erst mal prüfen, wie die Luft hier unten ist.«
    David holte sein Feuerzeug aus der Hosentasche. Die Flamme flackerte unruhig, ging aber zum Glück nicht aus.
    »Komisch, hier im Weinkeller steht das Wasser niedriger als oben«, meinte Rachel. »Das ergibt keinen Sinn.«
    Über einen steinernen Steg, der ein Stück höher war als der überflutete Boden, gingen sie an den aufgebockten, gewaltigen Fässern entlang, deren vorderen Boden man mit einem Querbalken hatte verstärken müssen. Als sie beim letzten Faß am Ende des Kellergewölbes ankamen, drehte sich Rachel, die vorausgegangen war, aufgeregt zu David um.
    »Schau mal da! Da fließt das Wasser durch«, sagte sie und beleuchtete mit ihrer Taschenlampe den Wasserwirbel, der sich in der Ecke dahinter verlor.
    Sie untersuchten das riesige Faß. Klopften es von oben bis unten ab. Trotz seiner immensen Größe schien es auf dem Wasser über den Holzböcken fast zu schweben.
    »Es ist hohl! Los, pack mal mit an, ich glaube, das ist eine Art Tür«, bat David.
    David hatte richtig beobachtet: Im Gegensatz zu all den anderen Fässern hatte dieser Querbalken an der Seite Eisenbeschläge, und als sie an dem Querbalken zogen, gab der Faßboden quietschend nach und öffnete sich sperrangelweit.
    Sie mußten sich kaum bücken, als sie in diesen einzigartigen hölzernen Tunnel stiegen. Am anderen Ende des Fasses stießen sie jedoch nicht auf einen weiteren Boden, sondern auf das blanke Mauerwerk. Und dort erblickten sie dieselbe Ziegelmarkierung wie an der Casa de la Estanca!
    »Sieh dir das an«, sagte David. »Jetzt wundert es mich nicht mehr, daß niemand diesen Eingang gefunden hat.«
    Er tastete das Ziegelfries ab. Doch nichts geschah. Er versuchte es noch einmal, wobei er sorgfältig darauf achtete, die |702| Ziegel in der richtigen Reihenfolge der Inschrift zu drücken. Und siehe da: Vor ihm öffnete sich ein schmaler Spalt in der Mauer, und als er weiterdrückte, begann sich ein Teil der Wand um die eigene Achse zu drehen und den Eingang zu einem langen Gang freizugeben. Dorthin floß das Wasser aus dem Weinkeller ab. David und Rachel drängten sich hinein und leuchteten mit ihren Taschenlampen das Innere aus. Sie konnten kaum weiter als ein paar Meter sehen.
    Schon bald machte der Gang eine abrupte Biegung. Wie

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