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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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war, der damals aus seinen Worten herauszuhören war, sondern vielmehr wilder Haß, als er Torrianis Namen ausstieß.
    Mir blieb jedenfalls keine Wahl. Die beiden Soldaten, die mich bis dahin keinen Moment aus den Augen gelassen hatten, führten mich in ein gut bewachtes Gemach, und am nächsten Morgen rissen sie mich unsanft aus dem Bett und geleiteten mich zum Hafen von Vlissingen, wo sie so lange am Kai stehenblieben, bis sie sich versichert hatten, daß mein Schiff auch wirklich in See gestochen war. Meine Lage erfüllte mich indes mit großer Sorge: Ich hatte in der Nacht kein Auge zugetan, war mir doch die ganze Zeit jenes letzte Bild von Artal de Mendoza vor Augen gestanden, wie er seine rechte Hand mit der linken stützte, jene unbedachte Geste, die unter dem Handschuh eine Hand hervorschauen ließ, die nicht aus Fleisch und Knochen, sondern aus … Silber war. Dieselbe Hand, mit |181| der er meinem Vater am Brunnen der Festung ins Gesicht geschlagen hatte, bevor man ihn auf das Rad band, um seine Knochen einen nach dem anderen zu zerschmettern. Wenn dieser Mann erführe, wer ich in Wirklichkeit war, würde mein Leben keinen Schuß Pulver mehr wert sein.«
    »Und warum bist du nicht auf ihn losgegangen?« fragt Ruth.
    »Aus denselben Gründen, aus denen du mir gestern davon abgeraten hast. Sie hätten mich auf der Stelle getötet, ohne daß ich irgend etwas in Erfahrung gebracht hätte. Ich mußte gerissener sein als meine Feinde und mit großer Vorsicht vorgehen, wollte ich herausfinden, warum man meine Familie umgebracht hatte. Und ob König Philipp II. selbst etwas damit zu tun hatte oder nicht. Und all das, ohne daß sie meine wahre Identität erführen. Wie ich das bewerkstelligen könnte, darüber grübelte ich auf dem Schiff nach, während der Kapitän mit vollen Segeln Kurs auf Spanien nahm.
    So erreichten wir Laredo im Nu. Das Wetter war ziemlich unfreundlich. Mir erging es inzwischen genauso wie der Galeone, die dort bei der stürmischen See des Golfs von Biskaya vor Anker ging: Bei jeder Bewegung knackte es in allen Gelenken. Doch man schien nicht willens, mir auch nur etwas Erholung zu gönnen. Am Kai wartete bereits ein berittener Arkebusier mit seinem kleinen Trupp auf mich. Sein pechschwarzes Haar und der dunkle Bart standen in lebhaftem Kontrast zu seinen sonderbar durchdringenden Augen, in denen eine kaum zu zügelnde Leidenschaft flackerte. Er mochte etwa dreißig Jahre alt sein.
    Kaum hatte der Soldat die Anordnungen gelesen, die ihm der Schiffskapitän ausgehändigt hatte, gab er seinen Männern auch schon in aller Kürze die nötigen Befehle, denen diese eilfertig nachkamen. Nachdem er sich mir mit ausgesuchter Höflichkeit vorgestellt hatte, klärte er mich über unsere Reiseroute auf.
    ›Wir brechen unverzüglich auf. Zuerst nach Valladolid.‹
    ›Wie lange werden wir bis dorthin brauchen?‹ fragte ich, ohne meine große Erschöpfung verbergen zu können.
    |182| ›Bei diesem Wetter sechs Tagesritte. Die Wege sind voller Schlamm.‹
    Es regnete ohne Unterlaß. Mein Postmantel mit seinen weiten Ärmeln und den Rocktaschen rettete mich. Er war mit einer dreifach festgenähten Tresse geschmückt; ich hatte ihn an einer der Poststationen der Taxis erstanden, des Gestanks überdrüssig, den meine in Ragusa beschmutzte Kleidung noch immer ausdünstete. Der Arkebusier schien die Gegend gut zu kennen. Als ich ihn darauf ansprach, erwiderte er, ohne viel Aufhebens davon zu machen, mit der Distinktion eines Edelmannes:
    ›Ich bin hier in der Nähe geboren worden.‹
    Das Gespräch mit ihm bestätigte meinen ersten Eindruck, daß es sich bei ihm um einen ganz außergewöhnlichen Menschen handelte. Sein Name war Juan de Herrera, er hatte an der Universität von Valladolid studiert, war sehr belesen, vielgereist und ebenso bewandert im Gebrauch von Waffen wie in den freien Künsten und Geisteswissenschaften, soweit ich das beurteilen konnte. Daß gerade er mir das Geleit gab, war sicherlich kein Zufall. Von Zeit zu Zeit schützte er die wertvollsten Kuriersendungen des Königs. Ich fand heraus, daß er zehn Jahre zuvor – als Philipp noch Kronprinz und Herrera selbst noch keine siebzehn Jahre alt gewesen war – in dessen Dienste getreten war, um ihn auf seiner
felicísimo viaje
durch italienische und deutsche Lande zu begleiten. Danach stand er ihm drei Jahre lang in Flandern bei, bevor er als Soldat nach Italien ging und dann in der Leibgarde Karls V. diente, dem er schließlich auch nach San

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