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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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nicht zu Philipp II. vorgelassen. Wenn ich meine Botschaft jetzt einem Sekretär übergab oder jemandem wie Artal, der die königlichen Geheimschriften zu entziffern hatte, wäre sie nichts weiter als eines jener lästigen Gesuche, denen Philipp II. keine Beachtung schenkte. Und Karl V., ermattet wie er war, würde gewiß wenig Bereitschaft zeigen, sich eingehender damit zu beschäftigen. Die Sache sähe jedoch sicher ganz anders aus, wenn jemand ihm erläuterte, welch guten Leumund und großen Einfluß diejenigen hatten, die sich da an ihn wandten. Plötzlich erinnerte ich mich an die Zeichnung, die Cardano mir für seinen Landsmann Giovanni Torriani mitgegeben hatte.
    Rasch schlüpfte ich in meine Kleider und stieg hinunter in den Schankraum, wo Herrera schon auf mich wartete. Ich schilderte ihm meine Überlegungen und bat ihn dann um einen Ratschlag.
    ›Ihr habt auch noch eine Nachricht für Giovanni Torriani, sagt Ihr? Den kennt man hier in Spanien nur unter dem Namen Juanelo Turriano. Dann bringe ich Euch am besten gleich zu ihm. Er wohnt wie ein Großteil des kaiserlichen Gefolges hier in Cuacos. In seiner Begleitung werdet Ihr vielleicht vom Kaiser persönlich empfangen, denn Turriano genießt bei ihm hohe Wertschätzung. Andernfalls werdet Ihr Euch damit begnügen müssen, Eure Botschaft dem Sekretär Karls V., Martín de Gaztelu, zu überreichen.‹
    Sobald wir gefrühstückt hatten, machten wir uns also zu Turrianos Haus auf, das am Ende einer Kolonnade aus robusten Holzpfeilern stand. Wir banden die Pferde an einem davon fest, und da es noch sehr früh am Morgen war, ließen wir dem Meister durch die Dienstmagd ausrichten, daß wir am nahe gelegenen Brunnen auf ihn warten würden.
    Dort fragte ich Herrera nach dem Uhrmacher aus. Er erzählte mir, daß Juanelo Turriano in Cremona in der Nähe von Mailand geboren und in sehr bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen sei. Und daß er schon als Hirtenjunge den Gang der Gestirne verfolgt habe. Herrera berichtete mir aber |186| auch, wie Juanelo es geschafft hatte, in die Gilde der Uhrmacher aufgenommen zu werden, hatte er doch die Witwe eines Uhrmachermeisters geehelicht, was die einzige Art und Weise darstellt, die sozialen Schranken der Zunft zu überwinden.
    ›In Italien nahm der Kaiser ihn in seinen Dienst, da er ihm ein Astrolabium reparierte, an dem Karl V. sehr hing und das niemand sonst richten konnte. Das brachte ihm unverzüglich dessen Anerkennung ein.‹
    Juanelo Turriano sei ganz anders als die vornehmen Höflinge, die den Kaiser umgaben. Er sei ungelenk und von ungeschliffenem Benehmen; dennoch sei es ihm gelungen, den Kaiser so sehr für sich einzunehmen, daß dieser ihn stets um sich haben wollte. Sogar als er sich in die Einsamkeit des Klosters von Yuste zurückzog. Der mächtigste Herrscher der Welt hätte zu seiner Zerstreuung alles Mögliche mitnehmen können. Aber er entschied sich für Turriano und seine Uhren.
    ›Er ist ohne jeden Zweifel der beste Uhrmacher und Erfinder Europas‹, schloß Herrera seine Erzählung, bevor er den Kopf unter das Brunnenrohr hielt und einen großen Schluck Wasser trank. ›Aber er ist auch ein Mann, der seine Meinung geradeheraus sagt und niemandem nach dem Mund redet. Wenn er das, was Ihr ihm vorzuschlagen habt, für rechtschaffen hält, wird er Euch helfen. Wenn es ihm aber nicht behagt, dann wird er Euch auch das ohne Umschweife sagen. Jeder weitere Versuch, ihn doch noch dazu zu bewegen, ist dann unnütz.‹
    In diesem Moment hörten wir, wie sich die Stalltür öffnete und kurz darauf die Hufe eines Pferdes über das Pflaster klapperten. Ein großer, bäurisch wirkender Mann führte es am Zügel und kam geradewegs auf uns zu. Zweifellos Turriano. Es war schwer zu glauben, daß dieser unförmige, derbe Riese jemals ein zierliches Uhrwerk erdacht und eigenhändig konstruiert haben sollte. Er kam mir vor wie ein verwitterter Felsen. Gesicht, Haare und Bart verstärkten diesen ungeschlachten Eindruck noch; die klobigen Hände waren zudem ganz fleckig vom Rost, der, wie auch sonst alles an ihm, von den |187| vielen in der Schmiede verbrachten Stunden zeugte und den man auch mit Wasser nicht mehr abbekam.
    Als er Herrera erblickte, bekam sein wilder Gesichtsausdruck indes einen weichen Zug.
    ›Na so was, Don Juan! Ihr hier?‹ begrüßte er ihn mit einem Lächeln. Dann wurde ihm bewußt, daß Herrera nicht allein war, und er blickte mich fragend an.
    Der Arkebusier beeilte sich, ihm zu erklären, wer ich

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