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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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war, und fügte hinzu:
    ›Er bringt Euch Nachricht von einem Freund.‹
    Ich hielt ihm Cardanos Brief hin. Verwundert riß Turriano den Umschlag auf. Als er die in seiner Muttersprache verfaßten Zeilen erblickte, seufzte er; vielleicht überkam ihn gerade das Heimweh nach seiner Geburtsstadt Cremona. Wir machten ihm Platz auf dem Brunnenrand, damit er sich zu uns setzen konnte.
    Nachdem er die Lektüre beendet hatte, warf er einen langen, eingehenden Blick auf die Zeichnung, die Cardano ihm schickte. Schließlich drehte er sich zu mir.
    ›Womit kann ich Euch helfen?‹
    ›Fürs erste habe ich dem Kaiser eine Botschaft zu überbringen.‹
    ›Von wem?‹
    ›Von seinem Sohn, König Philipp.‹
    ›Und wo liegt das Problem?‹
    ›Also …‹, ich zögerte, ›also, von dieser Botschaft hängt das Leben zweier Menschen ab, die mir sehr lieb und teuer sind … Ich muß sie ihm
persönlich
übergeben … und ihn über gewisse Dinge in Kenntnis setzen … sofern das möglich ist.‹
    ›Ich verstehe.‹ Juanelo Turriano kratzte sich am Bart. ›Das wird nicht so einfach sein … Bis Yuste ist es eine Viertelmeile; warum erklärt Ihr mir die Angelegenheit nicht auf dem Weg dahin?‹
    Er stand auf, schwang sich auf sein Pferd und nickte uns auffordernd zu.
    ›In welcher Verfassung ist der Kaiser?‹ fragte ich ihn, kaum |188| hatten wir Cuacos hinter uns gelassen. ›Und warum hat er sich an einen so abgelegenen Ort zurückgezogen?‹
    Turriano zeigte auf die weite Landschaft, die sich im fahlen Sonnenlicht vor uns ausbreitete und über der eine Stille lag, die kaum einmal vom Brüllen eines Ochsen oder dem vereinzelten Gesang eines Vogels unterbrochen wurde.
    ›Die Umgebung hier ist seiner Gesundheit äußerst zuträglich. Genau das, was er jetzt braucht‹, erklärte er. ›Seit seiner Niederlage bei der Belagerung von Metz ist Seine Majestät der Kaiser nicht mehr derselbe. Er klagt oft darüber, daß ihm die Kälte, die ihm bei der schrecklichen Belagerung zugesetzt hat, noch immer in den Knochen sitzt. Und dann ist da noch die Gicht, die ihn seit über dreißig Jahren quält, und außerdem zwickt und zwackt es ihn überall. Dazu der Tod seiner Mutter, Königin Johanna, genannt
die Wahnsinnige
, die, eingesperrt in ihrem hohen Turm in Tordesillas, jahrzehntelang nur Weizenfuhren, Wolken und Jahreszeiten vorüberziehen sah …‹
    ›Man sollte aber auch nicht unerwähnt lassen, daß ihm der Sieg seines Sohnes in Saint-Quentin unlängst Trost gespendet hat‹, warf Herrera ein.
    ›Da ist etwas dran‹, gab Turriano zu. ›Jetzt bereitet er sich jedoch darauf vor, in Frieden zu sterben.‹
    In angemessener Entfernung folgte uns ein Schmied mit seinem Karren, denn Juanelo Turriano mußte den Blasebalg in der Schmiede austauschen. An einer Wegkrümmung stießen wir auf die Wäscherinnen des Kaisers, die mit der Bett- und Tischwäsche in Richtung Kloster unterwegs waren. Der Uhrmacher grüßte sie freundlich, sprach sie gar mit ihren Vornamen an, Hipólita und Isabel, und ermunterte sie, die schweren Ballen, die sie auf dem Kopf trugen, in den Karren zu legen.
    Bald darauf sahen wir das Kloster vor uns; verborgen zwischen den Bäumen lag es an einem nach Süden gerichteten Berghang. Es roch intensiv nach Thymian, als unsere Pferde zwischen Eichen, Kastanien- undWalnußbäumen den schlammigen Pfad hinaufstampften, bis schließlich nach einem kurzen Steilhang die Pforte des Klosters vor uns auftauchte.
    |189| Selbst aus der Nähe betrachtet kam es einem so vor, als ob es in dem Laubwald aufging, der sich aufgrund des herannahenden Herbstes schon gelblich verfärbte. Innerhalb der Klostermauern konnte ich dann das an die Südseite der Kirche angebaute kaiserliche Domizil bewundern, eine schmucke, kleine Villa, die Juanelo Turriano, wie er mir zuraunte, an Italien erinnerte. Herrera, der sich mit Architektur auszukennen schien, zeigte mir den sanft abfallenden Weg, den der Kaiser benutze, um in den Klostergarten zu gelangen, und über den er sich danach von einem Maultier wieder hinauftragen lasse, weil er seinen hinfälligen Körper nicht allzusehr erschöpfen wollte. Danach verabschiedete sich der Arkebusier von uns, da er seinen Obliegenheiten nachzukommen hatte.
    ›Wartet dort auf mich‹, sagte nun Turriano und zeigte auf die Empfangshalle. ›Ich gehe nachsehen, ob Seine Majestät bereits gefrühstückt und seine Morgengebete verrichtet hat.‹
    Während ich also darauf wartete, vom Kaiser empfangen zu werden,

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