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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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a mir ia a sar ia …«
    In diesem Augenblick trat eine Rückkopplung auf, so daß aus dem Lautsprecher nur noch schrille Töne kamen. Genervt schaltete Minspert das Gerät ab.
    »Du hast gesagt, daß deine Leute die Rede analysiert haben«, sagte David. »Und was meinen sie dazu?«
    »Sie sind noch dabei. In der Abteilung für spezielle Signale«, erwiderte Minspert.
    »Sehr gut. Dann sag ihnen, sie sollen ein universelles Übersetzungsprogramm anwenden.«
    »Wozu denn das? Das ist doch nur Lärm…«
    »James …« David versuchte es mit Überzeugungskraft. »Tu einmal im Leben das, was ich dir sage. Befiehl deinen Leuten, es wie gesprochene Sprache zu behandeln. Es kostet euch nichts, es einmal zu versuchen …«
    Minspert stand auf und bat seine Sekretärin über die Gegensprechanlage, den Sicherheitsbeamten hereinzuschicken, der gleich darauf in der Tür stand. James schrieb eine Notiz und gab ihm sehr präzise Anweisungen.
    David hatte seinen alten Chef dabei beobachtet. Man durfte ihn nicht unterschätzen. Niemand kam James Minspert gleich im Umgang mit Politikern und der Presse. Er wußte, wie man ihnen schmeicheln mußte und wie man gewissen Leuten Informationen zuspielte, und er verstand es auch, sein Gegenüber subtil zu erpressen oder ihm einen Gefallen zu erweisen … den derjenige dann teuer bezahlte. Er war ein harter Brocken und mit allen Wassern gewaschen. Viele nannten ihn nur »den schlüpfrigen James«, weil er aalglatt war, wenn es darum ging, sich aus irgendeiner Situation herauszuwinden. Er sage fast nie nein, hieß es über ihn, habe aber unzählige andere |219| Methoden, einem etwas abzuschlagen. David fragte sich, wie er es jetzt anstellen würde, sie loszuwerden, ohne daß es so aussah, als blockiere er ihre Nachforschungen.
    Bealfeld machte ihn jedoch nervös. David betrachtete den Kommissar jetzt genauer. Mit seinen klaren blauen Augen und den vielen Kilos stoischer Gelassenheit sah er so aus, als könnte ihn kein Wässerchen trüben. Seine behaarten Pranken ruhten friedlich auf der abgenutzten Ledertasche. Doch der Kryptologe lernte ihn langsam kennen und wußte, daß sich hinter dieser gutmütigen Offenherzigkeit ein zäher Gegner verbarg. Er war zwar kein brillanter Rhetoriker und auch nicht vom Ehrgeiz getrieben, aber ließ er sich auch nicht leicht einschüchtern. Und er hatte die seltene Tugend, gleich auf den Punkt zu kommen.
    Und Rachel? Zu wem würde sie halten? Die junge Frau war merkwürdig schweigsam. Sicherlich zwang die Sorge um ihre Mutter sie zu extremer Vorsicht. Und vielleicht auch die peinliche Situation. Die Rückkehr an den Ort des Verbrechens, dachte David ironisch, als er sich an die Schwierigkeiten erinnerte, die ihr damaliges Interview hervorgerufen hatte. Andererseits mußte sie wohl gerade ihren guten Riecher und die Neugier einer Journalistin zügeln. Und zu allem Überfluß repräsentierte sie in dieser ganzen Sache auch noch die Toledanos. Sie sah ein wenig verloren aus.
    Der Kommissar schien unterdessen ihr gemeinsames Ziel weiterverfolgt zu haben, denn gerade erklärte er dem NS A-Agenten eingehend die Situation und lieferte ihm auch einige der Details, bevor er mit den Worten schloß:
    »Sie sehen also, daß wir diese Dokumente dringend brauchen …«
    »Kommissar …«, entschuldigte sich Minspert. »Ein Teil davon ist bis zum Jahr 2012 gesperrt.«
    »Was Mr. Bealfeld dir gerade erzählt hat, James, ändert alles. Merkst du das denn nicht?« mischte David sich ein. Er wurde langsam ungeduldig.
    Minspert schien zu zweifeln. Er sah David an, der ihm mit |220| einem Blick bedeutete, daß er diesen Schritt früher oder später machen
mußte
.
    »Das ist eine sehr delikate Angelegenheit und wird Wunden aufreißen, die eben erst verheilt sind.« Er wirkte konsterniert. »Sie werden viele unangenehme Überraschungen erleben. Sie haben ja keine Ahnung, worauf Sie sich da einlassen.«
    »Genau darum geht es uns ja: das herauszufinden«, erklärte David.
    »Glaub mir, Calderón. Die Wahrheit ist viel schwerer zu ertragen.«
    In diesem Moment klingelte das Telefon. Minspert ging zu seinem Schreibtisch und nahm den Anruf entgegen.
    »Ja, stellen Sie ihn durch … Ja … Wann war das?« Minspert schien alarmiert. »… Ja … Ich komme sofort.«
    Er legte auf und griff sich sein Jackett.
    »Das war die Abteilung für spezielle Signale. Es gibt Probleme mit diesem Videoband.«
    »Was für Probleme?« fragte Bealfeld.
    »Das gesamte Computersystem hat sich aufgehängt.

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