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Kryptum

Kryptum

Titel: Kryptum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agustín Sánchez Vidal
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Videoband.«
    |223| »Die Worte des Papstes?«
    »Seine Worte, aber vor allem dieses unverständliche Gestammel, das er gegen Ende der Rede von sich gibt, und das Hintergrundgeräusch des Platzes, bevor der Brunnen mit dem provisorischen Altar in sich zusammenstürzt. An dieser Stelle übersteuert das Band, und es ist nur noch ein sehr hohes, ohrenbetäubendes Sirren zu hören.«
    Während ihres Gesprächs hatte David genau auf die Quellcodes der Programmierung geachtet, die noch auf dem Bildschirm des Computers zu sehen waren, den der Ingenieur wieder in Gang zu bringen versuchte. Er kannte diese Abfolge von Programmanweisungen. Er hatte sie selbst geschrieben, als er das von seinem Vater begonnene Programm CA110 auf den neuesten Stand zu bringen versuchte. Ein Code, den jemand anders erneut verändert hatte. Hier war etwas faul. Sehr faul. Und auf einmal kam ihm auch ein erster Verdacht.
    »Wo ist das Originalprogramm dazu?« fragte er den jungen Mann, der darauf eine Schublade öffnete und auf eine Mappe deutete.
    David erkannte sie sofort. Aus den Augenwinkeln hielt er unauffällig nach Minspert Ausschau. Er hatte zum Glück nichts bemerkt. Als David sah, wie sein ehemaliger Chef mit dem Kommissar zum Abteilungsleiter ging, holte er die Mappe heraus und bat den Informatiker, ihm etwas Platz zu machen.
    »Vielleicht ist es ein Virus«, mutmaßte David.
    »Es agiert zwar wie ein Virus, kann aber keiner sein.«
    »Warum sind Sie sich da so sicher?«
    »Dieser Computer ist ein Prototyp. Kein Mensch kann einen Virus für ein Betriebssystem programmieren, das noch niemand kennt.«
    David versicherte sich, daß Minspert und der Rest des Teams weiter die Rechner überprüften. Kommissar Bealfeld war jedoch zurückgekommen. Er stand jetzt hinter ihm und sprach mit dem Sicherheitsbeamten.
    Wen er nirgends entdecken konnte, war Rachel. Deshalb |224| drehte er sich einen Augenblick um und beugte sich vor, um an den Schiebewänden vorbei einen Blick auf den Saal zu werfen. Und da sah er sie. Sie war zu Minspert getreten, der mit dem Rücken zu ihm stand, und besprach etwas mit ihm.
    In diesem Augenblick begann sich eine Idee im Kopf des Kryptologen festzusetzen. Aber er mußte sich sicher sein, daß die junge Frau ihn nicht beobachtete, denn ihre Reaktion war unvorhersehbar. Sie war ein Mensch, der das Gesetz achtete. Sie würde sich für so etwas sicher nicht hergeben. Das Problem war jetzt nur, daß sie mit dem Gesicht zu ihm stand und unablässig zu ihm herübersah.
    All das überlegte er sich insgeheim, während er weiter mit dem Ingenieur sprach.
    »Woher kann dieser Virus, oder was auch immer es ist, dann kommen?«
    »Es gibt nur zwei Möglichkeiten: das Programm selbst oder die Tonspur der Videokassette.«
    Oder beides zusammen, dachte David, behielt es aber für sich. Statt dessen fragte er:
    »Das heißt, die Stimme des Papstes?«
    »Wir sind uns nicht sicher, ob es nur die Stimme des Papstes ist.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Daß es eventuell noch weitere Stimmen gibt.«
    »Eine Frauenstimme vielleicht?« fragte David aufgeregt.
    »Schon möglich. Aber das ist nicht das wichtigste. Es gibt da etwas, das sich durch die ganze Tonspur zieht. So etwas wie ein Hintergrundrauschen, das die ganze Zeit denselben Rhythmus beibehält, selbst während des Gestammels. Und ich glaube, es ist dieses Hintergrundgeräusch, das das Computersystem zum Absturz brachte.«
    »Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß dieser Systemabsturz durch einen bestimmten Klang ausgelöst worden ist!«
    »Es ist nicht nur ein simpler Klang. Vielleicht ist es ja eine Art Sprache, ein Muster von Daten …«
    »Ein binäres Muster …?«
    |225| »Vielleicht ist es binär, wenn es mit einem Computer in seiner eigenen Sprache kommunizieren möchte. Aber wer weiß, vielleicht vermag es sich ja auch je nach Kontext oder Empfänger zu verändern.«
    »Gibt es so etwas denn? Einen Virus, der sowohl in einem biologischen wie auch in einem informationstechnologischen Kontext agieren kann?«
    »Bisher konnten wir uns das nicht vorstellen. Aber hier haben wir ihn anscheinend …«
    Ein neuerlicher verstohlener Blick über die Schulter erlaubte David festzustellen, daß Minspert sich am anderen Ende des Raumes befand und Rachel, der Kommissar und der Sicherheitsbeamte hinter ihm und dem Ingenieur standen und ihnen zuhörten. Noch immer wußte er nicht genau, wie er von allen unbemerkt die Mappe mit dem Programm einstecken konnte. Zuerst mußte er sich

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