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Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin

Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin

Titel: Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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erwiesen sich, wie etwa der alte Boijakmar, als durchaus weise. Ein intelligenter Zug. Besonnen und vorausschauend, dachte Sapius anerkennend.
    Aber nein, er verwarf den Gedanken gleich wieder, im Großen und Ganzen waren und blieben die Klan für ihn ungebildete, nichtsnutzige Tölpel mit der Tendenz zu einem leichten, ausschweifenden Leben. Viel zu arg- und sorglos zeigten sie sich in seinen Augen. Ihre Neigung zu verabscheuungswürdiger Dekadenz trat für Sapius vor allem in der Hauptstadt Tut-El-Baya am Hof des Regenten deutlich zutage.
    Er schüttelte die Gedanken ab, denn seine angespannten Sinne hatten durch den Regen ein fremdes, merkwürdiges Geräusch wahrgenommen. Es hatte sich nach etwas Metallischem angehört, das gegen Holz geschlagen worden war. Nicht laut, aber immerhin für ihn gut hörbar. Madhrab hin oder her, er musste sich konzentrieren, wenn er mit dem Bewahrer schon bald sprechen wollte. Wehe ihm, wenn er in die Gefangenschaft der Rachuren geriete! Sapius beugte sich tief über den Kopf seines Pferdes und flüsterte ihm ins Ohr: »Ruhig, nur ruhig Blut und keine Panik.« Er streichelte vorsichtig über den Hals seines Tieres. Das Pferd schien ihn zu verstehen, stellte die Ohren auf und blieb sofort wie angewurzelt stehen. Sapius konnte nichts erkennen, so sehr er seine Augen auch anstrengte. Vielleicht eine Patrouille oder doch nur ein harmloses Tier? Was sollte er tun, wenn es gefährlich und er die Gefahr zu spät erkennen würde?
    Er drehte den Kopf vorsichtig nach links, dann wieder nach rechts. Mit seiner rechten Hand hielt er die Zügel fest umschlossen. Unbewusst verkrampfte er seine Hand, sodass das Blut aus seinen Knöcheln wich und sie fast weiß erscheinen ließ. Mit der linken Hand kratzte er sich nervös am Kopf und strich sich hastig eine nasse Haarsträhne aus der Stirn.
    Da war es wieder. Das Geräusch hörte sich näher an als zuvor. Vielleicht täuschte er sich oder seine Sinne spielten ihm einen Streich, denn er konnte erneut nichts entdecken. Er zupfte am Ärmel seines Mantels. Sapius entschloss sich abzusteigen. Vorsichtig, ganz vorsichtig und langsam glitt er über die rechte Flanke seines Pferdes auf den Boden. Es gelang ihm, seine in hohen Lederstiefeln steckenden Füße nahezu geräuschlos auf den durchweichten Boden zu setzen. Er hasste diese Stiefel. Sie waren unbequem und quietschten, wenn sie nass wurden. Außerdem war es jedes Mal eine Tortur, sie wieder auszuziehen. Mit seinen Stiefeln versank er sogleich bis zum Knöchel in der lehmigen Erde.
    Ich sollte weniger essen, ging es ihm durch den Kopf. Ein Gedanke, den er gerne gleich wieder verdrängt hätte, störte er doch seine Konzentration. Dabei war er keineswegs zu schwer oder zu fett. Eher klein und dünn, vielleicht wäre hager sogar die passendere Beschreibung gewesen. Im Moment bestand er fast nur noch aus Haut und Knochen. Sein Gesicht sah eingefallen aus, die Augen lagen tief in den Höhlen und waren ob der Strapazen und des Schlafmangels der vergangenen Wochen dunkel umrandet. Über seinem Schädel spannte die Haut und ließ jeden einzelnen Knochen deutlich hervortreten. Eine ungesunde Erscheinung.
    Was für ein unpassender Gedanke in diesem Augenblick. Jetzt an Essen zu denken. Bin ich schon wirr und verliere gänzlich meine Beherrschung? Halb verhungert und am Ende meiner Kräfte, dachte er. Sapius ärgerte sich über sich selbst. Warum war er nur so schrecklich nervös?
    Ich bin ein Saijkalsan! Was soll das denn? Nimm dich zusammen, du kannst jede Gefahr meistern, und sei sie noch so schwierig, versuchte er sich Mut zu machen. Er hatte in den nunmehr beinahe dreihundert Sonnenwenden seines Lebens schon viel schwierigeren und weit gefährlicheren Situationen ins Auge geblickt. Dreihundert Sonnenwenden – es kam ihm kurz vor, galt er doch für einen Tartyk, die in den Klanlanden auch die Langlebigen genannt wurden, immer noch als jung, und hatte gut und gerne mindestens weitere siebenhundert Sonnenwenden vor sich, wenn er nur etwas auf sich acht gäbe und nicht unbedingt gewaltsam zu Tode käme.
    Die vielen Erinnerungen waren nach wie vor wach und kaum verblasst über die lange Zeitspanne. Er fragte sich, wie es wohl den Klan zumute sein musste, denen höchstens achtzig bis hundert Sonnenwenden vergönnt waren. Andererseits, ob achtzig, hundert oder tausend Sonnenwenden – was machte das am Ende für einen Unterschied? Sterben mussten sie alle und verglichen mit der Ewigkeit war auch sein Leben

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