Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin
hineinreichenden Bergwerken Eisbergens.
Einen Tag nach Madhrabs neuntem Geburtstag brach sein Vater wie schon viele Male zuvor mit einer Karawane nach Eisbergen auf. Nur einen Tag später begann ein Unwetter über den Gipfeln des Berges Choquai zu toben. Madhrabs Vater verschwand mitsamt der Karawane in den tiefen Schluchten des Choquai, kehrte nie zurück und wurde auch nie gefunden. Die Suchaktionen verliefen erfolglos. Vielleicht hatte sie eine Lawine in die Tiefe gerissen oder sie waren abgestürzt oder in einer Eisspalte erfroren. Niemand wusste es. Es war, als ob der Berg den Bergführer mitsamt der Karawane einfach verschluckt hätte.
Die Sonnenwende und vor allem der Winter nach dem schweren Verlust des Vaters, der stets gut für seine Frau und die sechs kleinen Kindern gesorgt hatte, waren sehr schwierig. Am Rande der Verzweiflung und der Hungersnot brachte die besorgte Mutter ihre Kinder trotz der wenigen Nahrungsmittel mit der großzügigen Hilfe der anderen Bewohner von Kalayan durch den harten und langen Winter. Die Dorfbewohner in Madhrabs Heimat hielten während schweren Zeiten fest zusammen. Das würde Madhrab nie vergessen. Egal, was auch geschah. Er würde stets einer von ihnen sein und ihnen verbunden bleiben. Vielleicht lag die tiefe Verbundenheit aber auch in etwas anderem. Einer Herkunft, deren Ursprung in längst vergessenen Zeiten zu suchen war. Immerhin wurde den Bergbewohnern aus Kalayan aus unerfindlichen Gründen nachgesagt, sie seien Abkömmlinge eines uralten, vergessenen Volkes. Das Volk der Nno-bei-Maya.
Es war ein Glück für die Familie und das Dorf, als die Sonnenreiter im folgenden Frühjahr durch einen Zufall auf den kleinen Madhrab aufmerksam wurden und ihn zu sich nahmen. All die Familien, die ein Kind an die Sonnenreiter abgeben mussten, wurden reich entlohnt und hatten zeit ihres Lebens keine Not mehr zu leiden.
Die Sonnenreiter waren unter der Führung des schon betagten Bewahrers und Letztgängers Master Zachykaheira in die Stadt Eisbergen unterwegs, um eine wichtige Botschaft des hohen Vaters an das Fürstenhaus der Alchovi zu überbringen und dringend benötigte Waren für den Orden einzukaufen. Sie hatten im letzten Dorf vor dem gefährlichen Pass eine längere Rast eingelegt, um sich einen geeigneten Bergführer zu suchen und sich vor dem kräfteraubenden Aufstieg auszuruhen. Madhrab war ihnen beim wilden Wettkampfspiel mit seinen beiden kleineren Brüdern und anderen Kindern des Dorfes aufgefallen. Die Kinder erprobten ihre Stärken, ihre Beweglichkeit spielerisch mit Holzschwertern und Stöcken. Gleichzeitig schienen sie im unbefangenen Spiel eine Art Rangordnung auszuloten. Der kleine Madhrab bewegte sich außergewöhnlich geschickt und war schnell wie der Wind. Selbst größere und ältere Kinder mussten ihm am Ende anerkennend Respekt zollen. Besonders auffällig für einen erst zehn Sonnenwenden zählenden Jungen erschien Master Zachykaheira jedoch, wie Madhrab seine jüngeren Brüder beschützte und so manches dumme Missgeschick und blutige Nasen zu verhindern wusste. Die kleinen Brüder vertrauten Madhrab blind und schienen sich voll und ganz auf ihn zu verlassen. Dieser enttäuschte sie keinen Moment, war hellwach, stets aufmerksam und ließ sich nicht ablenken – selbst dann, wenn der Wettkampf seine volle Konzentration erforderte, vergaß er seine beiden kleinen Brüder nicht. Geriet einer von ihnen in die Enge, war er fast wie durch Zauberhand sofort an seiner Seite, um ihm beizustehen, ohne den eigenen Kampf dabei zu verlieren. Zachykaheira war hellauf begeistert. Der erfahrene Bewahrer war ein enger Vertrauter des Overlords Boijakmar und hatte schon einige Anwärter in seinem Leben gesehen. Aber nie war ihm ein solches Talent begegnet. Die Begabung dieses jungen, kräftigen Bergburschen mit den rosigen Bäckchen war außergewöhnlich. Der Master musste Madhrab mitnehmen und bestand auch darauf, den Jungen dem hohen Vater voller Stolz selbst vorzustellen. Boijakmar ließ sich überzeugen und nahm den Jungen unter seine Fittiche.
Lordmaster Madhrab hatte die Ausbildung zum Bewahrer innerhalb von nur fünfzehn Sonnenwenden mit einer herausragenden Prüfung abgeschlossen – schneller als alle Absolventen vor ihm. Die gestellten Übungen und Aufgaben waren Madhrab leichtgefallen. Böse Zungen behaupteten, er hätte irgendwie mit unlauteren Mitteln nachgeholfen. Zu leicht seien ihm die Ausbildung und die Prüfungen gefallen. Auch einige seiner Kameraden
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