Kryson 01 - Die Schlacht am Rayhin
Male begegnet, eine äußerst attraktive Frau, verführerisch und gerissen, doch er wusste, dass an dem Gerücht nichts dran sein konnte. Kaysahan war erfahren genug, der Regentin nicht zu verfallen, das könnte ihn seinen Kopf kosten und er war ein durch und durch pflichtbewusster Ehrenmann. Aber – und das war der eigentliche Skandal am Hofe – Kaysahan hatte eine Liebschaft mit der unverheirateten Tochter des Regenten.
Zweifellos ein hübsches Ding, wie Sapius fand, kam sie ganz nach ihrer Mutter und hatte eine Menge Verehrer. An jedem ihrer zehn Finger mindestens zwei Höflinge, die ihr mal mehr, mal weniger massiv nachstellten. Für Kaysahan war das Techtelmechtel mit der Regententochter Raussa kein Verstoß gegen den strengen Ehrenkodex der Bewahrer. Offiziell konnte er daher nicht belangt werden. Am Hofstaat der Regenten war das dennoch ein nicht zu billigender Skandal. Kaysahan entstammte keinem Adelshaus und weder sein Rang als Lordmaster der Bewahrer noch die Anunzen seines Vaters halfen ihm in dieser Sache am Hofe des Regenten weiter. Die Bewahrer dienten dem Regenten und seiner Familie vor allem als Leibwächter – und Lordmaster Kaysahan hatte das Wort Leibwache offensichtlich etwas zu wörtlich ausgelegt. Als Leibwächter gehörten sie in den Augen des Regenten zu den Bediensteten oder zum einfachen Gefolge und durften dementsprechend würdelos behandelt werden.
Es interessierte Haluk Sei Tan offenbar wenig, welche Macht die Bewahrer im Klanland tatsächlich ausübten und welche Tausende von Sonnenwenden alte Tradition er mit Füßen trat.
Die Entscheidung war schließlich zugunsten Lordmaster Madhrabs ausgefallen. Er war der Ziehsohn und engste Vertraute des hohen Vaters, der Boijakmar gerufen wurde und seinem Rang im Orden entsprechend die Titel Overlord und erster Bewahrer trug. Madhrab wäre auch Sapius’ allererste Wahl gewesen, denn wie er fand, gab es in diesen Zeiten keinen Besseren für die bevorstehenden Aufgaben. Eine äußerst talentierte und interessante Persönlichkeit für einen Mann aus den Klanlanden. Das hatte Sapius bei seiner ersten Begegnung sofort festgestellt. Er kannte ihn seit seiner frühen Zeit an der Akademie der Sonnenreiter, als Madhrab noch ein überaus talentiertes Kind gewesen war und gerade erst mit der langen Ausbildung begonnen hatte. Seit damals hatte er sich enorm entwickelt. Aus dem einst begabten Jungen war ein äußerst befähigter Bewahrer geworden.
Boijakmar selbst war hoch erfreut gewesen über die Nachricht von Madhrabs Berufung, denn er war überzeugt davon, dass Madhrab der stärkste Bewahrer war, den die Sonnenreiter jemals hervorgebracht hatten. Niemand anderes konnte mit dem Schwert und im Kampf ohne Waffen so meisterlich triumphieren wie er.
Lordmaster Madhrab war hoch im Norden der Klanlande am Fuße des Choquai-Passes geboren worden und hatte zehn Jahre seines Lebens dort verbracht, bis ihn die Sonnenreiter zu sich in das Haus des hohen Vaters geholt hatten. Seine Familie, Madhrab hatte noch zwei jüngere Brüder und drei Schwestern, lebte damals in einem in den Bergen gelegenen Dorf namens Kalayan von der spärlichen Landwirtschaft und den Einnahmen, die von den vorbeiziehenden Händlern stammten. Sein Vater Throlhab führte während der Sommermonde, wenn der Choquai-Pass weitgehend von Schnee und Eis befreit war, zahlreiche Händlerkarawanen über den Pass nach Eisbergen, die nördlichste Stadt des Landes. Ein wichtiges und einträgliches Zubrot, das für die Familie unverzichtbar war. So schön das Leben in den Bergen nahe der steil aufragenden Felswände des Choquai auch sein mochte, es war auch hart und entbehrungsreich. Die Winter waren lang und der Berg hielt stets Überraschungen und Gefahren für die Bewohner bereit, die den grauen, massiven Felsen mit eisernem Willen ihr Leben abtrotzen wollten.
Sapius selbst hatte sich auf einer seiner Reisen durch den Kontinent Ell bis nach Eisbergen für kurze Zeit einer Karawane angeschlossen und sich von Throlhab über den Pass führen lassen. Das lag inzwischen schon viele Sonnenwenden zurück, doch er konnte sich noch gut an den groß gewachsenen, charismatisch wirkenden Bergführer erinnern. Madhrab sah ihm sehr ähnlich und glich ihm in der großgewachsenen Statur. Die Händler tauschten in der reichen und vom Rest der Welt abgeschnittenen Stadt mitgebrachte Waren wie Kleidung, Geschirr und Nahrungsmittel gegen Gold und wertvolle Kristalle aus den riesigen und tief in die Erde
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