Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
die am Boden kauernde Frau, die ihren Körper vor und zurück wiegte.
»Ich habe die Frau schon einmal gesehen«, sagte der Magier unvermittelt, »es war in der Schlacht an den Ufern des Rayhin. Sie war eine unglückliche Späherin im Heer der Klan, die wohl vor der Schlacht in die Hände des Schänders Grimmgour fiel. Der Rachure benutzte sie, um den Bewahrer Lordmaster Madhrab und dessen Gefolge bis aufs Blut zu provozieren. Ihr Name ist Solras. Sie hat ein furchtbares Schicksal hinter sich. Grimmgour marterte ihren Geliebten während der Schlacht auf grausamste Weise zu Tode.«
Die beiden Naiki sahen den Magier verblüfft an. Er erwies sich schon jetzt als äußerst hilfreich. Sein Wissen von den jüngsten Ereignissen außerhalb des Faraghad-Waldes konnte womöglich viele Fragen beantworten und Licht in so manches Dunkel bringen. Sie mussten ihn dem inneren Rat für eine ausgiebige Befragung vorstellen.
»So soll es denn sein«, unterbrach Taderijmon den kurzen Augenblick schweigenden Nachdenkens, »lasst uns nach oben gehen.«
Baijosto nickte und half seinem Bruder, Solras in einen der geflochtenen Körbe zu setzen. Er selbst bestieg gemeinsam mit Sapius den zweiten Korb. Die beiden Transportkörbe setzten sich nach einem kurzen Ziehen am Seil gleichzeitig in Bewegung und schwebten lautlos in die Höhe.
B LUTHANDEL
K allahan schüttelte resignierend den Kopf und seufzte.
Der Junge musste den Verstand verloren haben, sich mit dem Schwert in der Hand auf die Kriecher zu stürzen, um seinen Freunden zu helfen. Mut hatte er, so viel musste er ihm lassen. Aber in den Augen des Saijkalsan war es eine Dummheit ohnegleichen. Ein sinnloses Opfer, da Renlasol doch überhaupt keine Chance gegen die Übermacht der Kriecher hatte. Er und seine Gefährten waren verloren.
Welchen Preis würden die Saijkalrae von ihm für diesen Einsatz verlangen? Die Klan hatten sich selbst in Gefahr gebracht. Was wollten sie im Land der Bluttrinker überhaupt suchen?
Renlasol hatte ihm gewiss nicht die Wahrheit gesagt. Nur weil er eine merkwürdige, sentimentale Verbundenheit zu dem Knappen spürte, die er auf sein inzwischen hohes Alter zurückführte, sollte er einen Besuch in den heiligen Hallen der Saijkalrae riskieren?
Warum nicht?, sagte er sich. Schließlich war er ein Saijkalsan, und das schon sehr lange, gleichgültig was zwischen ihm und dem dunklen Hirten jüngst vorgefallen war. Er gehörte immer noch dazu. Sie durften ihm die Nutzung der Macht nicht verwehren.
Trotz seiner gefährlichen Auseinandersetzung mit dem dunklen Hirten wollte er versuchen, einen Zugang zu öffnen und die Macht der Saijkalrae für sich einzusetzen. Renlasol war ihm den Preis offenbar wert, was auch immer sie von ihm verlangten.
Langsam und bedächtig stellte er sich auf den höchsten Punkt des Felsens und breitete die Arme weit aus. Er schloss die Augen. Die Haltung des Saijkalsan machte den Eindruck, als wäre der betagte Mann gar nicht nicht an diesem Ort und als stünde die Zeit still. Doch nach dem Bruchteil einer Sardas öffnete der Einsiedler seine Augen weit. Ein Schimmern flackerte in seinen Pupillen auf, gerade so, als hätte jemand ein Feuer darin entzündet. Grelles Licht, das sich plötzlich von den Armen des Einsiedlers ausbreitete, blendete Renlasol, dessen Gefährten und die Kriecher gleichermaßen. Der Saijkalsan öffnete die Lippen und schrie mit mächtiger Stimme in der Sprache der Altvorderen: »Welok kamya verlato son!«
Die Stimme donnerte über die Kriecher hinweg, raste in die Berge, wurde von den Felsen in tausendfachem Echo zurückgeworfen und verstärkte sich am Ende zu einem grollenden Gewitter. Renlasol hielt sich die Ohren zu, um sich vor dem tosenden Lärm zu schützen.
Wie ein Rudel wild gewordener Hunde, denen soeben das Futter weggenommen wurde, überrascht von einem Jäger und dessen Licht, ließen die Kriecher sofort von ihren Opfern ab und zogen sich, die einen zähnefletschend, die anderen wimmernd, zurück. Das gleißende Licht des Saijkalsan reichte weit, sodass die geblendeten Kriecher, so schnell sie konnten, einen passenden Ort aufsuchten, an dem noch das rote Licht der Tsairu vorherrschte und die Magie des Einsiedlers keine Auswirkung mehr auf sie hatte. In den Bergen löste sich eine Steinlawine, die laut krachend ins Tal rutschte, als das letzte Echo verklungen war.
Platt wie ein Pfannkuchen auf einem Teller lag Pruhnlok mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf der Erde und starrte gedankenverloren
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