Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
versuchte mit fliegenden Fingern seinen Stab zu ertasten.
»Bleibt ruhig und bewegt Euch nicht«, sprach der Krolak. Seine Worte waren ungewohnt und schwer verständlich durch die Vermischung mit tierischen Lauten: »Euer Pferd hat die Baumwölfe nicht satt gemacht. Ein Zeichen von mir und sie werden über Euch herfallen. Wer seid Ihr und was wollt Ihr hier im Faraghad?«
»Ich … Ihr … ich … Ihr … könnt sprechen?«, dem Reiter hatte es beinahe die Sprache verschlagen.
»Jedenfalls kann ich mich Euch verständlich machen. Das ist immerhin ein Anfang«, fuhr Baijosto fort, »also noch mal … nennt mir Euren Namen.«
»Ich bin Sapius und wer oder besser was seid Ihr?«, stellte sich der Reiter vor.
»Mein Name ist Baijosto Kemyon. Einen Waldläufer und Jäger darf ich mich nennen«, antwortete Baijosto.
»Ihr seid doch nicht etwa ein Naiki?«, hakte Sapius nach. Er war verblüfft und tief beeindruckt zugleich. Die unterschiedlich gefärbten Augen waren ihm zwar aufgefallen, doch waren sie bei einem Tier durchaus häufiger anzutreffen. Er hatte alles Mögliche erwartet, nur einen Naiki nicht.
»Vielleicht bin ich ein Naiki. Das dachte ich jedenfalls. Die meiste Zeit des Tages. Möglicherweise war ich einst ein Waldläufer. Jetzt bin ich mir dessen nicht mehr so sicher. Womöglich bin ich nun ein Baumwolf«, antwortete Baijosto.
»Das ist faszinierend«, Sapius war außer sich vor überbordender Neugier, »Ihr seid ein Gestaltwandler, fürwahr ein echter Krolak. Aber offenbar einer, der das Tier in sich zu beherrschen weiß. Höchst selten. Verzeiht mir bitte, aber Ihr habt soeben mein uneingeschränktes Interesse an Euch geweckt, auch wenn ich im Grunde überhaupt keine Zeit für Euch habe, Ihr dafür sorgtet, dass mein Pferd mich unsanft abwarf, und Eure bösartigen Gefährten mein treues Reittier sogleich bis auf den letzten Fleischfetzen vertilgt haben.«
Sieben des alten Blutes reiten zusammen, sind voll des Mutes … Die Bestie beizeiten im Zweiten erwacht, er ist der Jäger und Wandler der Nacht …, kam es Sapius plötzlich in den Sinn. Aber natürlich, warum bin ich nicht gleich darauf gekommen?, erinnerte sich der Magier an seinen Traum, der Wanderer hatte recht. Die alte Prophezeiung. Der Krolak muss einer der sieben Streiter auf der Suche nach Ulljans Buch sein. Das alte Blut der Naiki! Der Jäger ist zugleich ein Gestaltwandler, der die Bestie in sich trägt.
Die Erkenntnis fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Zum ersten Mal hatte er – neben seinem Stab – einen greifbaren Beweis für die Worte des Wanderers aus seinen Träumen vor sich. Er wurde euphorisch und vergaß beinahe die Bedrohung um sich herum.
»Ich muss Euch um einen großen Gefallen bitten«, sagte Sapius freiheraus, »bringt mich zu Eurem Volk. Die Gewissheit über die Naiki, sie plagt mich als Tartyk und Magier schon lange. Ich bin auf der Flucht vor den Häschern des dunklen Hirten. Sie sind mir dicht auf den Fersen und hätten mich beinahe erwischt. Ohne mein Pferd habe ich keine Möglichkeit, ihnen zu entkommen. Ihr könntet mich verstecken und mir für eine Weile sicheren Unterschlupf gewähren, bis sie meine Spur verloren haben. Ich könnte mich als sehr nützlich erweisen. Es soll gewiss Euer Schaden nicht sein.«
»Ich kenne Euch nicht«, brummte der Krolak, »aber Ihr scheint mächtig zu sein. Das Blut verrät Euch. Warum sollte ich Euch vertrauen und mein Volk in Gefahr bringen? Zieht Eures Weges und lasst die Naiki in Frieden.«
»Ihr müsst mir glauben, Baijosto. Ich führe nichts Schlechtes im Sinne«, Sapius wollte nicht so schnell aufgeben und offenbarte sich dem Waldläufer. »Das Schicksal der Naiki war von jeher eng mit den Lesvaraq und der Wahrung des Gleichgewichtes verbunden. Der dunkle Hirte ist erwacht, sonst würden seine Leibwächter Haisan und Hofna nicht frei in diesen Wäldern umherziehen und nach mir suchen. Das Gleichgewicht ist in Gefahr. Kryson wandelt sich. Das wäre auch das unvermeidliche Ende der Naiki. Aber es gibt noch Hoffnung. Bald schon werden die Lesvaraq wiedergeboren und müssen unbedingt geschützt werden. Das ist meine Bestimmung und wahrscheinlich auch die Eure. Der dunkle Hirte wird das verhindern, wenn er kann.«
»Ihr könntet tatsächlich wahr sprechen. Es gehen spürbare Veränderungen vor sich. Was wisst Ihr über die Lesvaraq?«, fragte Baijosto.
»Ich weiß nur, welche Aufgabe ich als freier Magier zu erfüllen habe. Die Geburt der Lesvaraq wird nicht mehr lange
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