Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
Saijkalsan waren sich untereinander lange nicht einig gewesen, ob sie es wagen durften, den dunklen Hirten zu wecken, ohne gleichzeitig seinen Bruder, den weißen Schäfer, aus seinem tiefen Schlaf zu holen. Einige von ihnen befürchteten eine Verschiebung des Gleichgewichts, das Kryson aus der Bahn werfen konnte.
Am Ende hatte sich Rajuru jedoch mit ihrem Vorhaben durchgesetzt und sogleich mit der Eroberung der Klanlande begonnen. Ihr Krieg glich einem gnadenlosen Vernichtungsfeldzug gegen die nichts ahnenden Klan, der überall auf Ell nur Leid, Tod und Verwüstung zurückließ. Mithilfe ihres Sohnes Grimmgour wollte sie auf diese Weise die Klanlande unterjochen und dem dunklen Hirten das für sein Erwachen notwendige Blutopfer schenken. Doch sie wollte noch weit mehr erringen: die totale Kontrolle und alleinige Herrschaft über das große und fruchtbare Gebiet der Klanlande. Sie befürchtete, dass in absehbarer Zeit die Geburt neuer, mächtiger Lesvaraq bevorstehen könnte, wenngleich so gut wie keiner der Saijkalsan diese Befürchtung teilte. Rajuru hielt an ihrem Plan fest: Gelänge es ihr, die Klanlande mithilfe ihrer Krieger zu unterjochen, hätte sie einen leichteren Zugriff auf die neugeborenen Lesvaraq. Ohne die Gebietshoheit jedoch würde das Auffinden und Ergreifen der Lesvaraq ungleich schwieriger werden.
Am Ende gipfelte der Krieg in einer alles entscheidenden Schlacht an den Ufern des Rayhin, die in ihrer vernichtenden Niederlage für die Rachuren von Rajuru keinesfalls geplant war, wurde sie doch in ihren Plänen weit zurückgeworfen. Sehr wohl aber hatte die Schlacht als Nebeneffekt das von ihr gewünschte Blutbad gebracht.
Früher als gedacht waren daher die übrigen Saijkalsan zur Zeremonie des Erwachens zusammengerufen worden. Die letzten Zweifler, die ihre Bedenken offen geäußert hatten, waren zuvor rasch beseitigt und der ewig währenden Finsternis in den Hallen der Saijkalrae überantwortet worden. Auch der Zauderer Saijkalsan Sapius hatte gegen seinen Willen Bekanntschaft mit der Finsternis gemacht, nachdem er sich im Fieberwahn von den Saijkalrae abgewandt hatte. Obwohl selbst nicht an der Verschwörung beteiligt, hatte er zumindest geahnt, welche Absichten Rajuru verfolgte, und sich auf den Weg gemacht, diese zu vereiteln – und war dabei kläglich gescheitert.
Aus sieben Kehlen zugleich ging ein entzücktes Raunen durch die anwesenden Saijkalsan. Haisan und Hofna verharrten hingegen regungslos. Saijrae hatte seine Arme bewegt und schien sich zu strecken. Sein Erwachen konnte nun nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Wieder fielen die Saijkalsan, wie auf einen Befehl hin, gemeinsam und gleichzeitig in einen düster anmutenden wortlosen Gesang, der aus einfachen disharmonischen Tonfolgen bestand. Dazu bewegten sie ihre Köpfe in einem gleichbleibend langsamen Rhythmus sacht hin und her. Es war, als wollten sie sich auf diese Weise in einen unwirklichen Traumzustand versetzen, um den dunklen Hirten in dessen Träumen aufzusuchen und ihn mit sich in ihre Welt zu ziehen.
Der Körper auf dem Steinquader zuckte. Einmal, zweimal und schließlich noch ein drittes Mal.
Plötzlich öffnete Saijrae die Augen und setzte sich ruckartig auf.
Sieben Saijkalsan erschraken und gaben einen kurzen Schrei von sich, während die beiden Leibwächter ungerührt neben dem Steinquader stehen blieben.
Saijrae drehte seinen Kopf langsam in Richtung der Saijkalsan, die ihren Blick furchtsam und unterwürfig auf den Boden gerichtet hielten. Seine Augen glänzten vollkommen schwarz und schienen alles Licht der Umgebung magisch anzuziehen und zu verschlucken. Kein Weiß war darin zu sehen. Der schwarze Bruder der Saijkalrae ließ seinen Körper dem Kopf folgen und seine nackten Füße vom Steinquader baumeln. Sein Mund öffnete sich weit zu einem lang anhaltenden Gähnen und gab den Blick frei in einen tiefen, dunklen Schlund. Selbst seine Zähne und die Zunge waren schwarz.
Grazil wie eine Katze sprang Saijrae vom Steinquader und landete lautlos auf seinen Füßen. Staunend, mit kindlicher Freude betrachtete er seine Hände, bewegte sie neugierig vor seinen Augen hin und her, krümmte Finger für Finger. Dann begann er seinen Körper mit den Händen zu untersuchen. Erst als er jeden Zoll und jedes Teil sorgfältig begutachtet und hinreichend abgetastet hatte, richtete er sich zu seiner vollen Größe auf. Ein Lächeln umspielte seine Lippen.
»Ich bin wach«, rief eine glockenhelle Stimme, die wie die
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