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Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub

Titel: Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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Schritt auf Tallia zu, nahm ihr Kinn in die Hand und hob ihren Kopf an. Sie blickte ihm tief in die Augen und dachte, sie müsste sofort in der Dunkelheit verschwinden. Als ob tausend kleine Spinnen über ihr Gesicht liefen und ihre Haut einspönnen, fühlte sich die Berührung des dunklen Hirten an, die sich prickelnd vom Kinn aufwärts bis zur Stirn und weiter zum Haaransatz ausbreitete.
    »Jetzt ist es besser«, sagte der dunkle Hirte, nahm die Hand weg und betrachtete Tallia eingehend mit einem zufriedenen Lächeln. Die Narben in ihrem Gesicht waren zwar nicht gänzlich verschwunden, aber lediglich noch als schmale, sich hell abhebende Streifen zu erkennen, die nicht mehr entstellend auffielen.
    Tallia wusste nicht, wie ihr geschah. Sie konnte sich selbst nicht sehen und deshalb nur erahnen, dass der dunkle Hirte kurzerhand ihre abstoßenden Begleiter entfernt hatte, an die sie sich im Laufe der Sonnenwenden wohl oder übel gewöhnt hatte.
    »Lasst Euch nicht täuschen. Die Narben sitzen weit tiefer, als Ihr annehmt, und lassen sich nicht einfach durch Handauflegen entfernen. Ihr erblickt nur die Oberfläche, die Ihr zu glätten vermögt, nicht aber das, was sich darunter verbirgt. Ich … «, gab Kallahan zu bedenken und wurde jäh unterbrochen.
    »Erspar dir deine dreisten Belehrungen, Kallahan. Ich blicke in Abgründe, die du dir in deinen schlimmsten Träumen nicht einmal annähernd auszumalen vermagst. Möchtest du vielleicht einen Blick riskieren?«, zürnte Saijrae und schnitt ihm das Wort mit der deutlichen Drohung ab.
    Kallahan schwieg. Der eigensinnige Saijkalsan hatte wahrlich kein Interesse daran, in die dunklen Tiefen einer durch und durch verdorbenen Seele zu blicken. Was ihn dort erwartete, wäre kaum erstrebenswert und könnte seinen noch durchaus klaren Verstand nachhaltig bedrohen.
    Die Runde war noch nicht beendet. Der dunkle Hirte schritt unbeirrt weiter zum nächsten Saijkalsan, der ihm während der Zeremonie die Aufwartung gemacht hatte. »Sieh an, sieh an …«, sagte er und blieb vor dem neben Tallia knienden Saijkalsan stehen. »Edles, aber schwaches Blut in den heiligen Hallen der Saijkalrae. Ein Fürst der Klanlande. Einer von sieben. Hier wie dort. Eine kurze Lebensspanne besitzt ihr Klan. Du bist den Schatten bereits näher, als dir lieb ist, und solltest dir von Rajuru schnell einen Rat geben lassen, wie sie zu überwinden sind. Bedauerlich nur, dass sie keine Ahnung hat, wie sie dem Alter und seinen unerquicklichen Folgen entgehen kann. Also, spute dich, sonst wirst du bald für immer in der Bedeutungslosigkeit der Schatten versinken und hast doch nur einen winzigen Bruchteil deiner Möglichkeiten gesehen. Das wäre wirklich schade für einen Fürsten wie dich.«
    Der Fürst blieb ungerührt auf den Knien und ließ den dunklen Hirten, ohne ihn anzublicken oder ihm eine Antwort zu geben, weiterziehen.
    Dieser überging Kallahan, versah den Einsiedler mit einem missmutigen Seitenblick und schlurfte auf nackten Füßen, mit den Händen auf dem Rücken zu den beiden letzten Saijkalsan weiter.
    Ihre Namen waren Enymon und Raalahard. Die beiden stammten aus dem hohen Norden und lebten gemeinsam in den endlosen Weiten der Eiswüste.
    Enymon war klein und korpulent, trug kurzes, stoppeliges Haar, das einen rotblonden Schimmer aufwies, und hatte sich erst vor wenigen Tagen einen feuerroten Bart stehen lassen. Raalahard hingegen war groß und schlank gewachsen. Er ähnelte den Eiskriegern in Statur, Gesichtszügen und der üppigen, in schwarzen Zöpfen geflochtenen Haarpracht. Sie waren ein ungleiches Paar.
    Es war kein Geheimnis unter den Saijkalsan, dass die beiden Männer schon seit geraumer Zeit eine intime Beziehung miteinander pflegten. Eine Beziehung, die ihnen allseits Hohn, Spott und Ablehnung bis hin zu blankem Hass entgegenbrachte. Auf Verständnis oder Akzeptanz konnten sie nicht hoffen, noch nicht einmal in den Hallen der Saijkalrae. Doch sie waren immer noch Saijkalsan und hatten durchaus Macht – und sie kannten die Ablehnung als Saijkalsan zeit ihres Lebens, schließlich wurden sie von den meisten Klan gefürchtet. Den notwendigen Respekt mussten sie sich dennoch täglich aufs Neue hart erkämpfen.
    »Ich hatte einen Traum«, wandte sich Saijrae an Enymon und Raalahard. »Eine Stadt ganz aus Eis und Schnee sollte mir gehören. Sie sollte mir den Weg ins ewige Eis ebnen und endlich das lang ersehnte Buch offenbaren, das Ulljan einst irgendwo heimlich vor unseren Sinnen

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