Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
Betrachters bot sich sowohl im Osten als auch im Westen und Süden ein herrliches Bergpanorama. Bei guter Sicht reichte der Blick Richtung Norden bis weit in die Tartyk vorgelagerte Hochebene. In einem der höhergelegenen Paläste tagte regelmäßig der Rat der Alten.
Vorbei an den sieben Drachentürmen, die sich wie krumme Finger weit in die Höhe reckten und aus denen gelegentlich der Schrei eines Drachen zu vernehmen war, erreichte Sapius den Brunnen der Stadt, der im Zentrum lag und die Einwohner Gafassas mit frischem Quellwasser aus den Bergen versorgte. Er genehmigte sich einige Schlucke aus den um den Brunnen bereitgestellten Kellen, um sich zu erfrischen. Das Wasser aus dem Brunnen schmeckte wunderbar. Jeder Tartyk durfte sich frei bedienen und musste dafür nichts bezahlen.
Ein Klopfen auf die Schulter ließ ihn erschrocken herumwirbeln und in das von Falten zerfurchte, zahnlose Gesicht eines alten Tartyk starren.
»Verzeiht«, sagte der alte Mann, »ich wollte Euch nicht erschrecken. Aber ich dachte, Euch zu kennen. Ich muss mich getäuscht haben, wenn ich Euch nun genauer ansehe. Meine Augen sind nicht mehr die besten.«
»Das kann vorkommen. Macht Euch nichts daraus. Mit wem habt Ihr mich denn verwechselt?«, fragte Sapius beiläufig.
»Ach, das ist lange her. Mehr als zweihundert Sonnenwenden bestimmt«, erklärte der Mann sein Versehen, »sein Name war ... sein Name war ... wartet, gleich fällt es mir wieder ein ... ja, das war sein Name: Sapius.«
»Wer seid Ihr?«, wollte Sapius jetzt wissen, der sich dunkel an diesen Mann erinnern konnte.
»Oh, ich?«, fragte der Tartyk zurück, »ich bin nur ein unbedeutender Diener niedrigen Ranges für die Drachenreiter. Ich heiße Valkreon.«
Natürlich. Sapius erinnerte sich nach der Nennung des Namens sofort. Valkreon war im Haushalt seines Vaters beschäftigt und dort für die Küche und das Servieren der Speisen zuständig. Sapius hatte den stillen Diener gemocht. Er war stets nett, freundlich und hilfsbereit zu ihm gewesen. Aber der Diener war alt geworden. Sapius hatte ihn wesentlich jünger in Erinnerung behalten. Offensichtlich befand er sich in seiner letzten Lebensphase. Die Tartyk alterten rapide, sobald sie ihre letzten einhundert Sonnenwenden erreicht hatten.
»Valkreon«, sagte Sapius erfreut und offenbarte sich dem Diener, »ich bin froh, dich zu sehen. Du hast dich nicht getäuscht. Ich bin Sapius.«
»Oh, das ist ... du siehst mitgenommen aus«, Valkreon zog die linke Augenbraue hoch, »es wurde dir übel mitgespielt, seit du uns verlassen hast, deine dir selbst auferlegte Bestimmung zu finden. Das tut mir leid. Ein Tartyk wie du hätte weit Besseres verdient. Aber dein Vater war stur. Ich weiß das noch gut. Er sah dein wahres Talent nicht, wie ich es gesehen habe. Dennoch war es ein Fehler, dich den magischen Brüdern anzuschließen.«
»Ich will mich nicht beklagen, Valkreon«, antwortete Sapius, »ich ging meinen Weg aus freien Stücken, weil ich ihn gehen wollte und musste. Das Zerwürfnis zwischen Vater und mir hast du selbst erlebt. Das ist längst Vergangenheit. Es war nicht leicht, aber ich habe meine Bestimmung gefunden. Ich kam zurück, weil ich die Alten in einer dringenden Angelegenheit um Rat fragen muss.«
Valkreon kicherte wie ein Mädchen hinter vorgehaltener Hand, das soeben einen schönen Verehrer gesehen hatte und vor Verlegenheit rot anlief.
»Oh, du möchtest zu den Alten. Ich weiß nicht, wie sie reagieren, wenn sie dich sehen, und ob sie dich empfangen werden, um ihr Wissen mit dir zu teilen. Du hast den Tartyk vor vielen Sonnenwenden den Rücken gekehrt. Vielleicht solltest du lieber mich fragen. Ich bin alt. Älter als die meisten der Ratsmitglieder. Aber ich bin leider nicht weise und mein Wissen beschränkt sich auf den Haushalt deiner Familie.«
»Valkreon! Ich möchte den Rat nicht nach den Essensgepflogenheiten meines Vaters fragen. Sie müssen mich anhören«, ärgerte sich Sapius, »ich war und bin immer noch ein Tartyk. Dieses Recht darf keinem Tartyk verweigert werden.«
»Schade, aber das dachte ich mir schon. Wusstest du, dass dein Vater in den Rat der Alten gewählt wurde?«, fragte Valkreon.
»Vater?« Sapius klang empört und sah die Hoffnungen auf eine Anhörung schwinden. »Nein, woher sollte ich das wissen? Er ist zu jung für einen Sitz im Rat der Alten.«
»Aber nein, nicht doch«, erwiderte Valkreon, »dein Vater steht mitten in den besten Sonnenwenden seines Lebens. Natürlich ist
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