Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
ein Augenpaar aufmerksam in die Dunkelheit spähte.
»Renlasol? Seid Ihr es?« Die tiefe Stimme des Letztgängers, in der ein Hauch Unsicherheit mitschwang, war unverkennbar.
»Ja«, sagte Renlasol, »ich bin verletzt, bitte, Ihr müsst mir helfen.«
»Seid Ihr alleine?«
»Ja, Herr.«
»Wo sind die anderen?«
»Tot«, stöhnte Renlasol, »Opfer der Bluttrinker.«
»Dann sind sie nicht tot«, erwiderte Zachykaheira. »Verändert, verflucht, untot vielleicht, aber gewiss nicht tot. Was ist mit Euch? Wie seid Ihr entkommen?«
»Es gab einen Kampf. Yilassa verteidigte mein Leben mehr als ihr eigenes, und als sie sah, dass ich verletzt war, schickte sie mich weg. Ich sollte fliehen, solange es noch ging, während sie mir den Rücken frei hielt. Pruhnlok wurde von den Kriechern zerfleischt und Drolatol geriet in die Hände von Jafdabh während eines Bluthandels.«
»Das sieht Yilassa ähnlich. Eine gute Frau. Wurdet Ihr gebissen? Haben sie von Eurem Blut gekostet?«
»Soweit ich mich erinnere, habe ich nur tiefe Schnittwunden davongetragen. Bitte, Zachykaheira, öffnet die Tür und rettet mich. Ich verblute«, versuchte Renlasol den Letztgänger zu überzeugen.
»Hm ... wartet«, brummte Zachykaheira nachdenklich.
Der Bewahrer verhielt sich zögernd. Renlasol konnte hören, wie er die Klappe zuschlug und sich mit den Sonnenreitern beriet. Aus den wenigen Wortfetzen, die er auffing, konnte er entnehmen, dass sich die Sonnenreiter nicht einig waren und fürchteten, Renlasol könnte ein Bluttrinker sein oder sich zumindest auf dem Weg dahin befinden.
Selbst wenn es so wäre? Ein einzelner unerfahrener Bluttrinker wäre keine Gefahr, hörte er Zachykaheira sprechen.
Renlasol vernahm ein lautes Krachen, so als ob jemand mit der Faust auf einen Tisch gehauen hätte.
Was soll’s! Holen wir den dummen Jungen rein. Einen Tod müssen wir alle eines Tages sterben, entschied der Bewahrer und überstimmte damit die Mehrheit der in der Hütte anwesenden Sonnenreiter.
Die Klappe öffnete sich erneut.
»Lebt Ihr noch?«, wollte Zachykaheira wissen.
»Ja!«, antwortete Renlasol.
Der Letztgänger entriegelte die Tür und öffnete sie. Er sah sich vorsichtig in alle Richtungen um, bevor er vor die Hütte trat, um den Verletzten aus der Nähe zu betrachten.
»Verdammt, das sieht nicht gut aus, Junge«, stellte der Bewahrer fest.
Zachykaheira beugte sich zu Renlasol herab, als er ihn behutsam auf die Arme nehmen und in die Hütte tragen wollte. Durch die Nähe des Bewahrers überkam den Knappen ein Schwindelgefühl. Es war der Geruch des Blutes, das in den Adern des Letztgängers pulsierte und ihn den Hunger überdeutlich spüren ließ. Er fühlte den Rhythmus des Herzschlags, als wäre es sein eigener. Alle Beherrschung war dahin. Die Gier machte Renlasol rasend. Er packte den Letztgänger mit beiden Händen am Kopf, zog ihn vollends zu sich herab und vergrub seine Zähne, ohne zu zögern, in seinen Hals. Wie in einem Rausch strömte das Blut in seinen Mund, rann heiß den Rachen hinab und füllte seinen Magen. Jeder Schluck war eine Wohltat, die ihn alles andere für den Augenblick vergessen ließ. Doch der Bewahrer war kein wehrloses Opfer. Es gelang ihm, sich aus dem Griff des Knappen zu befreien und diesen von sich zu stoßen.
»Du verdammter Mistkerl!«, schrie Zachykaheira, während er sein Schwert zog und sich zum Kampf bereit machte. »Hast mich reingelegt und gebissen. Elender Bluttrinker, das wirst du mir büßen.«
Blut rann dem Bewahrer am Hals herab. Außer sich vor Wut griff er den Knappen an. Der erste Schwerthieb verfehlte den Kopf Renlasols nur knapp. Wie aus dem Nichts sprangen Yabara und Nochtaro an Renlasols Seite, um ihm gegen den Bewahrer beizustehen. Yabara fauchte und zog Renlasol auf die Beine. Mit wenigen Handgriffen verschloss sie die Wunden des Knappen, als wären diese niemals vorhanden gewesen. Nochtaro fing den nächsten Schwertstoß des Bewahrers mit seiner eigenen Klinge ab und ging mit der Absicht, den Bewahrer von der Hütte abzudrängen, zum Gegenangriff über. Die Kriecher näherten sich kreischend dem Kampfgeschehen und schnitten dem Bewahrer den Rückweg vollends ab.
In Erkenntnis der Gefahr für Leib und Leben der ihm anvertrauten Krieger versuchte Zachykaheira zu retten, was zu retten war. »Bleibt, wo ihr seid, und schließt die Tür! Jetzt sofort!«, rief Zachykaheira den in der Hütte verbliebenen Sonnenreitern zu. »Ich bin verloren.«
Doch es war bereits zu spät.
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