Kryson 02 - Diener des dunklen Hirten.epub
nahe gestanden, ja, hatte sogar beobachtet, wie dem Erhabenen die Luft zum Atmen ausging und, kurz bevor ihn die Schatten dann endgültig zu sich nahmen, in tiefer Betroffenheit und Dankbarkeit ein wohlwollendes Gebet zu den Kojos geschickt.
Es war fürwahr keine leichte Aufgabe, den starren Körper des Regenten in einen den Feierlichkeiten angemessenen Zustand zu versetzen. Den Leichnam zu öffnen, um die Organe zu entnehmen, war noch die leichteste Übung für den erfahrenen Praister. Thezael hatte keine Mühe damit, denn die Leichenöffnung war ihm lieber, als den Gestank während der Dauer der Bestattungszeremonie ertragen zu müssen.
Ein paar gezielte Schnitte, wenige Griffe und Haluk Sei Tans Körper hatte nur noch aus einer leeren Hülle von Haut und Knochen bestanden. Den Leichnam danach zu waschen, zu salben und zu schminken war von Thezael ebenfalls ohne Schwierigkeiten erledigt worden. Dem Toten ein prunkvolles Gewand anzuziehen und ihn anschließend ordentlich auf die Bahre zu betten, war ihm hingegen schon weitaus anstrengender vorgekommen. Der Praister brauchte sein ganzes Geschick und seine ganze Kraft, die widerspenstigen Glieder zu verbiegen und in die richtige Form zu legen. Es war ihm nichts anderes übrig geblieben, als den einen oder anderen Knochen zu brechen. Den nach unten hängenden Kiefer hatte er mit einem schweren Eisenhammer zertrümmert, um den Mund des Verstorbenen schließen zu können.
Während der Prozedur hatten ihn die toten Augen des Regenten vorwurfsvoll angestarrt. Das ärgerte Thezael sehr und war ihm zugleich unangenehm, weil er ständig das ungute Gefühl hatte, Haluk Sei Tan wolle ihn auf dem Totenbett des gemeinen Verbrechens eines Mordes an dem alten Greis anklagen. Sosehr er sich auch bemüht hatte, es war ihm nicht gelungen, die Augen auf die übliche Art und Weise zu schließen. Deshalb hatte er beschlossen, sie einfach mit ein paar Stichen zuzunähen. In der abgedunkelten Halle würde dieser kleine Makel außer ihm selbst wohl niemandem sonst auffallen.
Nachdem der Praister seine schweißtreibende Arbeit erledigt hatte, erhielt er Besuch vom Fürsten Fallwas, der das Werk Thezaels mit eigenen Augen begutachten wollte.
»Hervorragende Arbeit, Thezael«, lobte der Fürst den obersten Praister, »ich muss schon sagen, Ihr seid ein wahrer Künstler. Wer hätte gedacht, dass der alte Mann jemals wieder so friedlich und strahlend aussehen könnte, nach all den Sonnenwenden des puren Wahnsinns?«
»Im Tod sind sie alle gleich«, meinte Thezael, »ganz egal was sie zeit ihres Lebens getan oder unterlassen haben.«
»Nein, nein«, erwiderte Fallwas, »ich bin wirklich tief beeindruckt. Es war gewiss nicht einfach, aus diesem Wrack einen im Angesicht des Todes halbwegs würdigen Eindruck zu zaubern.«
Fürst Fallwas überkam plötzlich das Bedürfnis, das Gesicht des Regenten zu berühren. Es sah so unwirklich aus. So lange hatte er diesem Mann gedient, die wechselnden Launen und den täglichen Irrsinn ertragen. Jetzt sah er eine Maske vor sich, die puppenhaft und zugleich doch lebendig wirkte. Als er die rechte Hand vorstrecken wollte, um dem Drang nachzugeben, hielt ihn Thezael abrupt zurück. Der Praister packte die Hand des Fürsten und schlug sie unsanft beiseite. Ein leichter Stich an der Oberseite der Hand schmerzte Fürst Fallwas.
»Nicht«, rief der Praister aufgebracht, »das dürft Ihr nicht. Hände weg von ihm!«
»Was zum …«, erzürnte sich Fallwas und blickte erschrocken auf seine Hand, »… huch, Ihr habt mich verletzt. Was erlaubt Ihr Euch, Thezael? Ich sollte Euch auf der Stelle niederstrecken.«
»Verzeihung, mein Fürst … die ganze Arbeit könnte zerstört werden. Niemand darf den Leichnam jetzt berühren«, entschuldigte sich Thezael sogleich, »er ist so empfindlich. Es lag nicht in meiner Absicht, Euch anzugreifen oder gar zu verletzen. Wie ungeschickt von mir. Ich hielt noch eine Nadel in meiner Hand.«
Der Fürst starrte erst ungläubig auf den Praister und dann auf seine Hand, auf deren Rücken sich ein winzig kleiner Blutstropfen gebildet hatte. Dann musste er schmunzeln. Die Verletzung war nicht der Rede wert. Ein harmloser Nadelstich, wie er erleichtert feststellte. Der Schrecken über das ungebührliche Verhalten des Praisters einem Fürsten gegenüber war letztlich größer als der Schmerz des kleinen Stiches. Er führte die Hand zum Mund, schürzte seine Lippen über das kleine Loch und saugte das leicht süßlich und nach Eisen
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