Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
Vom Netzwerk:
rückgängig machen. Komm zu mir und lass mich meine Hände erneut auf dein Gesicht legen. Es ist ein lustiges Spiel!«
    »Nein, bloß nicht«, wehrte Taderijmon mit den Händen gestikulierend den Vorschlag ab, »ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Und für mich ist es ganz gewiss kein Spiel.«
    »Schade …« – sie verzog schmollend ihr Gesicht – »… vielleicht das nächste Mal, wenn wir uns wieder unterhalten.«
    »Bestimmt nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob es für uns ein nächstes Mal geben wird, wenn du an deiner Einstellung zu Baijosto festhältst.«
    »Du drohst mir?«
    »Nein, das tue ich nicht! Was könnte an dieser Feststellung bedrohlich sein? Wie ich schon sagte, werde ich mich meinem Bruder anschließen, wenn du und die Siedlung ihn nicht mehr haben wollt. Andere Jäger und Naiki werden es mir gleichtun. Es gelingt dir nicht, alle von deinen Ansichten zu überzeugen. Wir werden in den Wäldern zurechtkommen. Was dann allerdings mit der Siedlung geschieht, liegt einzig und allein in deinen Händen. Wirst du diese Verantwortung übernehmen?«
    »Wozu sollte das gut sein? Ich werde die Siedlung nicht brauchen, wenn ich erwachsen bin. Sie ist nutzlos für meine Zwecke«, sagte Kallya, während sie den kleinen Kopf stolz in den Nacken warf.
    »Nutzlos?« Taderijmon schüttelte verständnislos den Kopf. »Die Naiki geben dir alles, gewähren dir Schutz und Nahrung, damit du gut behütet aufwachsen kannst. Und du nennst die Siedlung nutzlos, die lange Sonnenwenden um dein Überleben gekämpft hat?«
    »Natürlich ist sie das. Verstehst du nicht? Wenn meine Zeit gekommen ist, wird sie mir keinen Vorteil mehr gewähren. Erwartest du, dass sich ein Lesvaraq dankbar zeigt und aus einer gefühlten Verpflichtung heraus zurückgibt, was ihm gewährt wurde? Das würde mich hindern, Kryson nach meinen Vorstellungen zu gestalten. Es wird Vergangenheit sein, so wie das Licht in deinem Bruder vergangen ist. Erklärte ich dir nicht bereits, dass ein Lesvaraq nicht zurückblickt?«
    »Was ist das für eine Welt, in der die Kinder ihre Väter und Mütter verraten?«
    »Du redest Unsinn, Taderijmon. Meine Mutter ist Solras. Sie gehört genauso wenig zur Siedlung wie ich. Dank der alten Hexe ist sie selbst noch ein Kind; und mein Vater? Kennst du ihn? Vielleicht werde ich ihn eines Tages finden und ihm meine Dankbarkeit dafür erweisen, dass er mich gezeugt hat.«
    »Du solltest jetzt besser gehen«, sagte Taderijmon, der entrüstet aufgestanden war und dabei einen Stuhl umgeworfen hatte, »unsere Unterredung führt zu nichts. Es tut mir wirklich leid, dass es so kommen musste. Ich werde Metaha und den inneren Rat selbst von meiner Entscheidung unterrichten.«
    »Lebe wohl, Taderijmon«, sagte Kallya kalt lächelnd, »ich mochte dich gerne. Doch ab jetzt gehörst du der Vergangenheit an.«
    Der Lesvaraq stand auf, drehte sich um und verließ, ohne sich noch einmal umzublicken, die Behausung des Waldläufers. Sie ließ einen zutiefst verstörten und nachdenklichen Naiki-Jäger zurück, der sich ernsthafte Sorgen um die Zukunft seines Volkes machte, wenn sie auf dieses Mädchen hörten und ihr Schicksal in die Hände des Lesvaraq legten. Noch heute wollte er sich auf den Weg machen, seinen Bruder in den Wäldern zu suchen. Er hoffte nur darauf, dass er dem richtigen Rudel Baumwölfe begegnete. Sonst würde es ihm schlecht ergehen. Zuvor musste er allerdings Metaha und den Rat von seiner Entscheidung unterrichten. Er würde seinen Platz im inneren Rat zur Verfügung stellen. Vor allem aber wollte er seinen Freunden unter den Waldläufern Lebewohl sagen. In der Hoffnung, es fände sich ein Naiki-Jäger, der seine Empfindungen teilte und sich mit ihm auf die Suche nach seinem Bruder machen würde.
    Ikarijo…, dachte der Waldläufer, wir hätten dich niemals ziehen lassen dürfen. Das war unrecht und es scheint sich zu wiederholen.
    Ein Gedanke setzte sich in seinem Kopf fest. Wenn es ihm gelänge, den Freund in den Wäldern zu finden, könnten sie gemeinsam nach seinem Bruder suchen und eine neue Siedlung nach ihren eigenen Vorstellungen aufbauen. Der Gedanke fühlte sich verlockend an.
    »Baijosto, alter Freund«, die Stimme klang weit entfernt und dumpf, als käme sie aus einer anderen Welt und dränge durch den Nebel an sein Ohr.
    Der Schädel des Waldläufers brummte, als würden tausend Hummeln in seinem Kopf herumsausen. Gelegentlich stach ihn eine von innen gegen die Schädeldecke und ließ ihn vor Schmerzen

Weitere Kostenlose Bücher