Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
gefallen war und sie ihn für einige Tage festgesetzt hatten.
»Die Biester waren ausgehungert. Wir hatten Mühe, die wütenden Attacken abzuwehren. Aber seltsamerweise waren sie nicht sehr geschickt. Drei Baumwölfe starben in unseren Fallen und vier weitere habe ich mit dem Blasrohr direkt aus den Bäumen geholt. Natürlich habe ich unser tödliches Gift für die Jagd verwendet. Dein Rudel verlor den Mut, nachdem die ersten Mitstreiter für sie von unsichtbarer Hand gefallen waren. Ich nehme an, dass sie ohnehin verunsichert waren, weil du nicht zurückgekehrt bist.«
»Mag sein«, brummte Baijosto, »es wird verdammt schwer werden, das Vertrauen zurückzugewinnen. Ich werde um meinen Platz kämpfen müssen.«
»Hört sich spannend an. Ich würde gerne zusehen, wie du dein Revier verteidigst und anschließend markierst«, lachte Ikarijo.
»Das ist nicht lustig, mein Freund«, meinte Baijosto betroffen. »Die Kämpfe sind blutig und es geht immer um Leben und Tod. Nur der Sieger überlebt. Der Verlierer wird, wenn er nicht schon im Kampf starb, von den anderen Tieren des Rudels in Stücke gerissen.«
»Raue Sitten, aber klare Regeln – was für eine angenehme Gesellschaft, in der du dich bewegst. Das fordert meinen ganzen Respekt für dich«, nahm Ikarijo den Freund nicht sonderlich ernst.
»Amüsiere dich nur, Ikarijo. Die Schadenfreude sei dir gegönnt. Aber im Ernst, du kannst mir glauben, dass mir dieses Leben keine Freude bereitet, auch wenn ich durch das Rudel an Macht hinzugewonnen habe. Ich wünsche mir nur, dass ich sie eines Tages sinnvoll einsetzen kann, und wenn es dazu dienen sollte, die Dunkelheit über dem Wald zu vertreiben, dann ist es gut.«
»Aye, mein Freund«, nickte Ikarijo, »ich bewundere dich für deine Einstellung und deinen Einsatz. Nimm mir die gelegentlichen Scherze bitte nicht übel. Du kennst mich. Ich meine es niemals böse. Ein großes und viel zu gutes Herz schlägt in deiner Brust, auch wenn deine Seele einige tiefschwarze Flecken aufweisen sollte. Du bist und bleibst ein guter Freund und bist bei uns immer willkommen.«
»Das freut mich, und ich nehme die Einladung gewiss dankbar an, wann immer ich eine Rast vom ruhelosen Leben in den Baumwipfeln brauche.«
Der Waldläufer verbrachte einige Wochen im Lager, um sich auszuruhen und von den vergangenen Monden zu erholen. Aber es gab viel zu tun. Fallen mussten ausgebessert und aufgebaut werden. Neue Hütten und Wege entstanden. Er half, wo immer seine Hand und Erfahrung gebraucht wurde, und die schwere Arbeit mit seinem Freund machte ihm Spaß. Den Frauen des Lagers ging er, soweit dies möglich war, aus dem Weg, um nicht in Versuchung zu geraten und sich nicht den neugierig-interessierten Blicken auszusetzen.
Zu seiner Überraschung trafen nach der dritten Woche seines Besuches Taderijmon in Begleitung der übrigen Naiki-Jäger aus der Siedlung im Lager ein. Die Jäger waren verblüfft, auf das Lager am Waldboden gestoßen zu sein. Sie hatten lange danach gesucht und es am Ende nur durch Zufall gefunden, indem sie den bereits verblassenden Spuren des Baumwolfrudels gefolgt waren. Die Freude über das Wiedersehen war über alle Maßen groß, auch wenn die Umstände ihres Erscheinens keinen Anlass zum Feiern gaben. Doch wen kümmerte das in einem solchen Augenblick? Sie umarmten und küssten sich, lachten und weinten vor Freude. Endlich waren sie wieder vereint und hatten sich viel zu erzählen. Baijosto wollte wissen, wie es zu dem Auszug der Jäger aus der Siedlung gekommen war und natürlich welch wundersame Heilung sein Bruder erfahren hatte. Doch die Antworten auf all seine brennenden Fragen hatten Zeit. Zuerst wurde ein so rauschendes Fest des Wiedersehens vorbereitet, wie es der Wald Faraghad schon lange nicht mehr gesehen hatte.
Eine neue Siedlung der Naiki und Nno-bei-Klan entstand. Zum ersten Mal in der Geschichte Krysons wurden Vorbehalte und alte Traditionen beiseitegeschoben und das Volk der Altvorderen schloss sich in der Not mit seinen einstigen Gegnern zusammen. Ihnen bot sich so die Möglichkeit, sich ungestört zu entwickeln, und sollten sie die Zeit der Dämmerung überstehen, wäre es denkbar, dass ein neuer Stamm entstünde, der den Naiki neue Hoffnung geben würde.
»Ohne die Jäger und Belrod ist die Siedlung nahezu schutzlos!«, warf Falerijon aufgebracht in die Runde. »Wie konnte eine solche Katastrophe geschehen, ohne dass der innere Rat davon erfuhr, Metaha?«
Der innere Rat war in aller Eile
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