Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
Gegenspieler war Kallahan, ein Einsiedler und Saijkalsan, der heute zurückgezogen im Riesengebirge lebt und genau wie ich auf seine Ablösung wartet. Ich habe nie verstanden, wie ausgerechnet er sich damals den Saijkalrae-Brüdern unterwerfen konnte. Er teilt mein Schicksal des letzten Lesvaraq-Zyklus und überdauerte die schier endlos scheinenden fünftausend Sonnenwenden bis zur Geburt der neuen Lesvaraq. Seit dem Tod des letzten Lesvaraq haben wir uns nicht wieder gesehen. Der Kampf um das Gleichgewicht war damals mit Ulljans Ableben beendet. Es gab keinen Grund mehr, uns noch weiter zu bekriegen. Aber wir schätzten uns stets. Es war ein gerechtes und niemals unsauberes Ringen.«
»Und wer wird Kallahan beerben?«
»Das weiß nur die Macht. Aber ich bin mir sicher, dass er seinen Weg bereits beschreitet und schon bald auf Kallya treffen wird.«
»Kallya wird uns beistehen«, meinte Ralijo.
»Ich denke nicht, dass sie das wird«, sagte Metaha aus tiefster Überzeugung, »sie wird sich eher selbst in Sicherheit bringen, und nichts anderes würde ich dem Kind raten. Sie ist nicht stark genug und würde den gesamten Zyklus der Macht gefährden, wenn sie sich jetzt schon der Gefahr stellen würde.«
»Was wird aus den Vorbereitungen gegen den von dir erwarteten Angriff des dunklen Hirten? Den Jägern war eine wichtige Rolle in unseren Plänen zugedacht. Wir werden die Lücke kaum schließen können, sollte er uns aufsuchen und deine Herausforderung tatsächlich annehmen.«
»Da hast du verdammt recht«, antwortete Metaha nüchtern, »vielleicht wird dies das Ende unserer Siedlung sein.«
Ein entsetztes Raunen durchlief die versammelten Ratsmitglieder, die ihren Fehler erkannt hatten und sich nun vor den Konsequenzen ihrer Entscheidung fürchteten.
Das Ende des ohnehin vom Aussterben bedrohten Volkes der Naiki vor Augen schwiegen die Mitglieder des inneren Rates betroffen. Die Versammlung löste sich von selbst auf, indem ein Ratsmitglied nach dem anderen den Sitzungssaal mit hängendem Kopf und Schultern verließ. Die Last ihrer letzten Entscheidung drückte sie schwer. Wenn es zu Metahas Vorhersage kommen sollte, hatten sie einen wesentlichen Beitrag zu ihrem eigenen Untergang geleistet.
Eine uralte Siedlung der Altvorderen war dem Tod geweiht. Tausende von Sonnenwenden hatte sie überstanden. Doch nicht erst durch den Weggang ihrer Jäger war das Ende absehbar. Frisches Blut, neue Ideen und die Abkehr von überkommenen Strukturen wären für eine Rettung notwendig gewesen. Doch dies war mit dem inneren Rat nicht zu vereinbaren. So mussten sie auf das nahende Ende warten und konnten nur wenig dagegen ausrichten.
Der dunkle Hirte wartete auf eine Gelegenheit.
T OMAL
D er Aufstieg zum Landeplatz des Drachen war mehr als beschwerlich gewesen. Obwohl Sapius über ein sehr gutes Erinnerungsvermögen verfügte, hatte er sich mehrmals verstiegen. An einem steilen Geröllfeld, an dessen Ende ein tiefer Abgrund drohte, war er ins Straucheln geraten und hatte eine gewaltige Steinlawine ausgelöst, die krachend in die Tiefe gestürzt war und ihn beinahe mit sich gerissen hätte, wenn er nicht im letzten Moment von der Magie Gebrauch gemacht und sich mit einem Sprung auf den darüberliegenden Felsvorsprung gerettet hätte. Der Einsatz in letzter Not hatte ihn Kraft gekostet, sodass er sich auf dem weiteren Weg hatte vorsehen müssen, um nicht erneut in Schwierigkeiten zu geraten. Für eine weitere Rettungsaktion ähnlicher Art hätten die Kräfte womöglich nicht gereicht. Jedenfalls war er sich dessen unsicher und fühlte sich schwach und angeschlagen. Letztendlich bewerkstelligte er es doch, und er traf den Drachen mit zusammengelegten Schwingen schlafend an.
»Wunderbar, Haffak Gas Vadar schläft, während ich mir bei der Kletterei fast den Hals gebrochen hätte und am Ende meiner Kräfte zitternd zurückkomme. Ich hoffe nur, du hattest süße Träume«, giftete Sapius lautstark.
»Die hatte ich in der Tat«, brummte der Drache in Sapius Kopf. »Ich träumte von den Sonnen Krysons und meiner Geburtsstätte auf Fee, zu der ich eines Tages zurückkehren werde. Es war ein seltsamer, aber schöner Traum. Wie ich sehe, bist du wohlbehalten zurückgekommen. War dein Besuch bei Kallahan erfolgreich?«
»Wohlbehalten ist kein Ausdruck für den Zustand, in welchem ich mich befinde! Ich bin am Ende. Meine Hände, Arme, Beine und der Rücken schmerzen, als wären sie immer wieder durch Mühlen gedreht worden. Dennoch war
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