Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
immer wieder aufs Neue angriffen. Die Kriecher mussten entweder enthauptet oder ihres Herzens entledigt werden, damit Vargnar als Sieger aus diesem Kampf hervorging. Der Felsgeborene wusste, was er zu tun hatte. Während er mit der einen Hand den Speer führte, griff er mit der anderen nach seinem an der linken Seite in einer Steinscheide angebrachten Schwert. Beide Waffen des Felsgeborenen waren aus Stein gefertigt und so lange bearbeitet worden, dass sie in ihrer Wirkung einer stählernen Waffe in nichts nachstanden.
Unter den Gegnern wie ein Berserker wütend, war der ungleiche Kampf zwischen Felsgeborenem und den zahlenmäßig überlegenen Kriechern bald beendet. Vargnar reihte die abgeschlagenen Köpfe der Kriecher nebeneinander vor dem Eingangstor auf. Darunter legte er ihre Herzen, die er vorsorglich aus ihrer Brust geschnitten hatte.
»Ihr beeindruckt mich, mein Prinz«, sagte Goncha, während er wieder zu Vargnar stieß, »und ich muss sagen, Ihr seid nicht zimperlich im Umgang mit Euren Feinden.«
»Das ist der Krieg, mein Freund. Unterhalb der Halle des Königs, in den Gängen zum Verlies, befinden sich noch weitere Bluttrinker. Ich kann ihre Anwesenheit spüren und höre das Kratzen ihrer Klauen auf Stein.«
»Worauf wartet Ihr? Erledigt die Kriecher und die Burg gehört wieder Euch.«
»Hab Geduld, Goncha. Du bist doch sonst derjenige, der mir Zurückhaltung und Vorsicht auferlegt. Vorher entzünden wir im Burghof ein Feuer. Wir werden ihre toten Leiber und die ihrer Opfer zu feiner Asche verbrennen. Man kann nie wissen, ob sie nach einer Zeit des Ruhens und der Erholung nicht wieder aufstehen.«
»Eure Idee sagt mir durchaus zu. Es ist kalt und ich könnte meine Glieder am Feuer aufwärmen. Kann ich Euch dabei helfen?«
»Du könntest hier draußen aufpassen, dass wir keine bösen Überraschungen erleben, bis ich in der Burg aufgeräumt habe.«
»Sehr wohl, mein Prinz!«
Ein Feuer war rasch entfacht, und die Körper der Erschlagenen brannten zum Erstaunen des Felsenfreundes innerhalb kürzester Zeit wie trockenes Reisig lichterloh, gerade so, als befände sich keine Flüssigkeit mehr in ihnen. Dennoch breitete sich, von tiefschwarzen, dichten Wolken getragen, ein beißender Gestank über die Burg und die nächste Umgebung aus. Der furchtlose Steinkrieger beobachtete für eine Weile regungslos, wie die Flammen die Leiber der Kriecher verzehrten und sich ihre Haut vom Fleisch schälte. Allmählich zerfielen sie zu Asche. Vargnar sah aus, als wäre er wieder zur Statue erstarrt und es war schwer zu erraten, was in jenem Moment der Nachdenklichkeit in ihm vorging. Mit einem tiefen Seufzer auf den Lippen löste er sich schließlich aus der Starre und begab sich wagemutig tiefer in die Burg hinein.
Das schwarze Licht in der Halle des Königs irritierte Vargnar und blendete seine empfindlichen Augen auf unnatürliche Weise. Für einen Augenblick fühlte er sich hilflos, gefangen in der Schwärze eines dunklen Zaubers, die ihn Gefahren aussetzte, die er nicht erfassen konnte. Er wusste, seine Augen würden sich nicht an das magische Licht gewöhnen. Sie waren nicht dafür geschaffen. Sobald die Burg befreit wäre, würde er sich darum kümmern müssen und mithilfe Gonchas den Fluch des schwarzen Lichtes entfernen. Auf allen vieren tastete er sich halb blind am Boden entlang durch die Halle, versuchte sich aus der Erinnerung heraus und durch das Flüstern der Steine zu orientieren. Er konnte die Kriecher durch seine Hände spüren. Jedes Geräusch trugen ihm die Steine zu, das Rascheln und Kratzen der krallenbewehrten Füße und Hände, das Knirschen ihrer Zähne. Sie mussten sich in unmittelbarer Nähe irgendwo unter ihm befinden. Wahrscheinlich hatten sie den Felsgeborenen und seine Hilflosigkeit längst bemerkt und warteten nur auf einen günstige Gelegenheit, sich auf ihn zu stürzen. Wenn sie es geschickt anstellten und in der Gruppe zusammenarbeiteten, konnten sie ihn in diesem Zustand tatsächlich überwältigen und verletzen. Sie waren gefährlich. Selbst für einen Felsgeborenen mit einer Haut, die gegen die meisten ihrer Bisse schützte, konnten die Bluttrinker in der Masse zu einer echten Herausforderung werden, wenn er sich nicht vorsah und vor allen Dingen dann, wenn er ihnen nahezu blind begegnete. Vorsichtig kroch Vargnar weiter, bis er ein Gitter unter sich spürte, das aus massivem Eisen gefertigt waren. Vargnar zählte mit den Händen insgesamt fünfunddreißig hintereinander
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