Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
angeordnete Stäbe, deren Abstand voneinander er auf jeweils zwanzig bis dreißig Zoll schätzte.
Das muss ein erstaunlich großes Loch im Boden sein, das es auf diese Weise zu bedecken galt, ging es ihm durch den Kopf.
Er erinnerte sich nicht mehr daran, dass es in der Halle des Königs eine Grube gegeben hatte, die mit Eisenstäben abgedeckt worden war. Quadalkar musste diese erst später hinzugefügt haben. Das Gitter konnte nur zu den Verliesen führen, dessen war sich Vargnar sicher.
Plötzlich erfasste ihn ein übler Gestank, den er über die Haut wahrnahm. Sie waren nah. Sehr nah.
Ich kann sie nicht sehen, verflucht , dachte Vargnar und verlor allmählich seine Gelassenheit.
Die Geräusche schwollen an und bestätigten ihm, dass sich die Kriecher in unmittelbarer Nähe befanden und bloß auf einen Fehler warteten. Mit einer Hand erreichte er das Ende des Bodengitters und versuchte die nähere Umgebung zu erkunden. Ein im Boden eingelassener Stein gab nach. Vargnar erschrak, als das Gitter plötzlich unter seinem Körper wegrutschte und er keinen Halt fand. Der Prinz stürzte in die Dunkelheit.
Für Goncha vergingen schier endlose Horas des Wartens in der nächtlichen Burg, bis Vargnar endlich müde und erschöpft, aber siegreich zurückkehrte. Er war zum eigenen Erstaunen unverletzt geblieben. Das Feuer war beinahe vollständig heruntergebrannt und hatte von den Kriechern nichts als Asche zurückgelassen. Die einst graue Rüstung des Felsgeborenen war über und über mit dunklem Blut besudelt.
»Ich glaube, ich habe alle erwischt«, meinte Vargnar kalt.
»Das hört sich gut an!« Goncha klang erleichtert. »Aber Ihr seht aus, als hättet Ihr im Blut gebadet.«
»Ja, durchaus. Aber das Wichtigste ist, die Burg ist jetzt unser. Es gibt viel zu tun, wenn wir die Rückkehr des Königs gebührend begehen wollen. Die Gänge und das Verlies liegen voller Knochen und Skelette. Es stinkt nach Tod und Verwesung. Auf den Böden und an den Wänden sind überall Blutspuren verteilt, teils schon uralt, eingetrocknet und verkrustet. Unrat stapelt sich in manchen Kammern bis zur Decke. Unmengen von Fledermäusen hausen in den untersten Kellerverliesen, und ich weiß nicht mehr, wie viel Ungeziefer, Ratten und Mäuse ich auf meinem Weg gezählt habe. Ich habe jeden Winkel durchforstet. Offene wie geheime Kammern und Gänge, soweit ich mich daran erinnern konnte. Es ist eine Schande, was die Bluttrinker aus dem einst prächtigen Königssitz gemacht haben. Ein Quell der Finsternis, den es zu reinigen gilt. Wir werden Magie anwenden müssen, wenn wir die Spuren des dunklen Fluches beseitigen wollen. Dabei wirst du mir helfen. Zuallererst entfachen wir das Feuer neu und verbrennen die Überreste der Kriecher.«
»Soweit ich es vermag, stehe ich Euch selbstverständlich mit Freuden und all meinen Kräften bei dieser Aufgabe zur Verfügung«, bot Goncha an.
Der Einzug des Königs in die Burg des Quadalkar gestaltete sich unspektakulär und ohne Ankündigung. Saragar hatte nicht einmal eine Botschaft durch die Steine geschickt. Er traf am zehnten Tag nach der Übernahme durch Vargnar mit seinem Gefolge in Begleitung der Eisprinzessinnen ein. Strammen Schrittes in aufrechter Haltung durchschritt er das reparierte Burgtor. Er sah sich rundherum um, erblickte seinen Sohn und hob den Arm zum Gruße. Doch ohne ein Wort zu verlieren, begab sich Saragar in die Halle des Königs, um seinen Platz auf dem ihm angestammten Thron einzunehmen. Der König war beinahe einen Kopf größer und wirkte wesentlich massiger als sein Sohn. Feine, dunkle Adern durchzogen die Felsenhaut des Königs. Ein Zeichen seines erhabenen Alters. Männlich markant gemeißelte Gesichtszüge, die ihm ein strenges, aber zugleich weises Aussehen verliehen, unterstrichen die beeindruckende Erscheinung Saragars. Wer ihm einmal begegnet war, nahm einen nachhaltigen Eindruck mit sich. Saragar war ein geborener Herrscher. Das war nicht zu übersehen.
Das Gefolge des Felsgeborenen war von jeher nicht sonderlich groß gewesen und während der Auseinandersetzungen mit den Klan sowie in den darauffolgenden Sonnenwenden stark geschrumpft. Die Burnter hatten zu keiner Zeit viele Angehörige aufzuweisen. Dafür galten sie als ein starkes Volk, in welchem jeder Einzelne von besonderer Durchsetzungsfähigkeit beseelt und mit den üblichen Waffen nahezu unverwundbar war.
Die wenigen Angehörigen der Felsgeborenen verloren sich in der Weite der Burg, sodass zuweilen der
Weitere Kostenlose Bücher