Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
Ratgeber der Vernunft für die Felsgeborenen. Zu diesem Zweck waren sie einst erschaffen worden. Neben kleineren Diensten des Kundschaftens und des Überbringens wichtiger Botschaften fiel ihnen die schwere Aufgabe zu, das hitzige Temperament der Felsgeborenen, die den ihnen von den anderen Völkern der Altvorderen verliehenen Namen »wilde Horde« nicht zu Unrecht trugen, zu zügeln.
Goncha redete ohne Unterlass auf den Prinzen ein, fand unzählige Gründe, warum ein unvorbereiteter Angriff unmittelbar ins Verderben führen konnte, warnte davor, den Todeshändler zu unterschätzen, und wies auf zahlreiche Gefahren hin, denen sie alleine nicht gewappnet wären. Obwohl er von keinem seiner Argumente selbst überzeugt war, halfen seine in Gedanken übermittelten Worte, Vargnar von den Gefühlen abzulenken und die Hitze sanft zu drosseln. Schließlich hatte sich der Prinz wieder beruhigt und sie warteten gemeinsam schweigend, bis der letzte Wagen die Burg verlassen hatte.
Vargnar stand, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, auf, legte die Lederhaut an Beine und Arme, packte den Felsenfreund mit einer Hand und sprang kopfüber in die Tiefe. Erst als Goncha befürchtete, sie würden mit ungeminderter Geschwindigkeit auf den Innenhof der Burg prallen, öffnete sich Vargnar und bremste den Sturzflug ab. Auf einem der außen stehenden Wachtürme landend, sah sich der Prinz zur Sicherheit noch einmal vorsichtig um, bevor er die Treppen zum Innenhof mit großen Schritten hinabstieg. Der Felsgeborene hielt inne, als sie ihr erstes Ziel erreicht hatten, drückte sich mit dem Körper an die Innenwand der Burgmauern und verschmolz nahezu unsichtbar mit den massiven Steinen.
»Es sind einige Kriecher zurückgeblieben. Ich kann sie durch die Steine fühlen. Sie lauern in der Dunkelheit im Inneren der Burg«, warnte er Goncha.
»Was wollt Ihr jetzt tun?«, wollte der Felsenfreund wissen.
»Ich werde sie töten! Du wartest hier.«
Vargnar löste seinen Körper von der Mauer, setzte den Felsenfreund ab und rannte über den Innenhof durch das geöffnete Tor ins Hauptgebäude der Burg. Dort hatte er die ersten Kriecher wahrgenommen. Die Steine hatten ihn nicht getäuscht. Er zögerte keinen Augenblick. Die Burg musste befreit werden. Ein Fauchen aus der Dunkelheit und das Aufblitzen mehrerer Augenpaare warnten den Felsgeborenen, dass er erwartet wurde. Als die Kriecher den Burnter witterten, stimmten sie ein fürchterliches Geheul an. Aus weit aufgerissenen, blutverschmierten Mäulern tropfte der Geifer. Vargnar konnte auch in der Dunkelheit herabhängende Fleischfetzen an ihren Zähnen erkennen. Offenbar hatten sie erst vor Kurzem gespeist, was Vargnar unschwer an dem in einer Ecke kauernden, mit zahlreichen Wunden und Bissmalen verunstalteten Blutsklaven erkennen konnte. Das Opfer war blutleer und würde sich bald selbst, von den Toten auferstanden, in einen Kriecher verwandeln.
Der Felsgeborene stürzte sich unerschrocken auf die Gruppe der sechs Kriecher, die sofort versuchten, die Zähne in seiner Haut zu vergraben und ihn mit ihren Klauen zu verletzen. Ihre Angriffe blieben jedoch wirkungslos und wurden stattdessen mit wilden Schlägen des Kriegers beantwortet. Die steinerne Faust des Felsgeborenen bohrte sich am gestreckten Arm bis tief in den Rachen eines Kriechers, riss dabei sämtliche Zähne aus dessen Kiefer mit sich. Ein Kriecher wollte sich in das Bein des Prinzen verbeißen, doch er glitt mehrfach ab und brach sich dabei jammernd die scharfen Spitzen ab, sodass am Ende nur noch unbrauchbare Stümpfe in seinem Mund zurückblieben. Ihre Krallen und Zähne hinterließen zwar Kratzspuren und Abdrücke auf seiner Haut, drangen aber nicht tief genug, um ihn schwer zu verletzen und seine Blutbahnen zu erreichen. Noch nicht jedenfalls.
Obwohl die Kriecher ständig versuchten, den Felsgeborenen zu überwältigen und zu Fall zu bringen, löste Vargnar in aller Ruhe einen aus zwei Teilen bestehenden Speer von seinem Rücken, steckte diesen zusammen, richtete sich auf und spießte damit zwei Kriecher gleichzeitig auf. Die Kriecher waren zäh, sträubten sich und starben nicht leicht. Obwohl sie verletzt waren, wie getretene Hunde jammerten und aus Leibeskräften schrien, wehrten sie sich nebenbei mit allen Kräften gegen den nahenden Gang in die Flammen der Pein. Die Bluttrinker mit dem Speer auf Distanz zu halten würde nicht reichen, um sich ihrer endgültig zu entledigen. Das wurde Vargnar klar, als sie trotz ihrer Wunden
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