Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
in den heiligen Hallen«, verbot der dunkle Hirte den Kampf.
»Verzeiht, mein Hirte«, widersprach Rajuru, »ich brauche eine Entscheidung. Fällt Ihr diese nicht aus freien Stücken und entfernt dieses Luder aus meinen Augen, dann werde ich diese erzwingen.«
»Nun …«, grübelte Saijrae, der beeindruckt von Rajurus Mut und zugleich neugierig auf den Ausgang des Kampfes war, »… dann macht Platz für die Kämpferinnen. Zollt ihnen Respekt. Möge die Bessere gewinnen.«
Die Saijkalsan taten es dem dunklen Hirten gleich und klatschten rhythmisch in die Hände. In Erwartung des Kampfes bildeten sie zögernd einen Kreis um die Streitenden.
Tallia war jung und unerfahren. Das war ein Nachteil in einem magischen Duell gegenüber Rajuru. Dafür wirkte Tallia körperlich besser in Form und sie war schneller zu Fuß, als Rajuru fliegen konnte. Der Ausgang des Kampfes war daher vollkommen offen.
Zwischen den Händen Rajurus bildete sich ein gleißender Feuerball, der mit jeder Sardas größer und größer wurde. Als die Hitze unerträglich wurde, entließ sie ihn mit einem Schrei der Befreiung auf ihre Gegnerin. Der Feuerball raste mit hoher Geschwindigkeit auf Tallia zu, die soeben dabei war, den dunklen Hirten zu berühren, um sich von ihm die Kraft für das Duell zu holen. In letzter Sardas drehte sie sich um und bildete hektisch einen Schutzschild, der sich, dunkel schimmernd, schwach von der Umgebung abhob und sie vollständig umgab. Der Aufprall des Feuerballs verursachte ein laut zischendes Geräusch, so als treffe feurige Glut auf Wasser. Und tatsächlich bildete sich ein dichter Wassernebel, als das Feuer auf den Schutzschild schlug. Durch die Wucht des Aufpralls und die trotz Schutzschild spürbare Hitze der sie einhüllenden Flammen wich Tallia wankend und aus Angst vor dem Feuer einige Schritte zurück. Ein zweiter Angriff der Rachurin folgte. Grelle eisblaue Blitze zuckten diesmal aus jedem ihrer Finger und ließen den Schutzschild Tallias gefrieren. Ein Schrei aus der Kehle der alten Hexe und die Hülle zerbarst klirrend. Die Braut des dunklen Hirten stand ohne Schutz da und musste die nächste Attacke über sich ergehen lassen. Sie kam nicht dazu, ihren eigenen Angriff vorzutragen, und sah – geblendet durch die Blitze – das auf sie zufliegende blutrote Band zu spät. Das sechs Zoll breite Band schlang sich um ihren Hals, bewegte sich wie ein Parasit den Hals entlang, über das Kinn zu ihren zusammengepressten Lippen, zwängte sich durch die Zähne bis in ihren Mund hinein und von dort tiefer in ihren Körper. Rajuru wirkte höchst konzentriert und hatte die Lippen wie zu einer saugenden Bewegung geschürzt. Aus ihrem Inneren erzeugt begann sie unerbittlich an dem Band zu ziehen. Tallia fühlte sich plötzlich schwach. Es war ein unwirkliches Empfinden, wie in einem Traum, in welchem ihr jemand mit Gewalt das Blut und die Seele aus ihrem Körper stahl. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, denn offensichtlich fand soeben etwas Ähnliches tatsächlich statt. Es war gewiss kein Traum.
Das Lachen der alten Saijkalsanhexe schallte durch die heiligen Hallen. Sie hatte das Mädchen mit ihrem Band fest im Griff und raubte ihr Stück für Stück die Lebenskraft. Vor den Augen des dunklen Hirten alterte Tallia zusehends. Ihre Haare ergrauten, die Haut wurde faltig und fleckig und ihre Augen verloren an Farbe. Rajurus Erscheinung schien sich hingegen mit jeder Sardas zu verjüngen. Es war ein unglaublicher Vorgang, die Rachurenherrscherin hatte im Kampf einen weiteren Weg gefunden, der ihr die Jugend und Schönheit vergangener Tage zurückbrachte.
Zu schwach, sich auf den Beinen zu halten, fiel Tallia auf die Knie und bat flehentlich um Einhalt. Aber Rajuru dachte gar nicht daran. Erst wenn ihre Gegnerin um ihr Leben winselte und dem Alter entsprechend aussah, das Rajuru längst erreicht hatte, wollte sie überlegen, das Band zu lösen. Andererseits beabsichtigte sie, die Niederlage der Kontrahentin auszukosten, selbst wenn das bedeutete, diese zu den Schatten zu schicken und den Groll des dunklen Hirten auf sich zu ziehen.
Keuchend kniete Tallia auf dem Boden der heiligen Hallen. Während sie ihrer Gegnerin ermattet in die Augen sah, erblickte sie darin den unbedingten Willen, sie zu vernichten. Das durfte sie nicht zulassen. Das Mädchen musste einen Weg finden, sich zu wehren. Aber sie hielt dem bösen Blick der Hexe nicht stand und sah auf den Boden. Eine Schwäche, die den Triumph ihrer Gegnerin
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