Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
verzog das Gesicht zu einer scheußlichen Grimasse, während sie das spärliche Licht in sich aufsog und augenblicklich die Dunkelheit zu sich rief. Jegliches verbliebene Licht erlosch, wurde von Tallia aufgesogen und verschwand mit jedem Atemzug in ihrem Leib, bis absolute Finsternis vorherrschte. Die Schatten erstarben, lösten sich im Nichts auf, als wären sie Thezael nie zu Hilfe geeilt. Der Spuk war zu Ende.
»Thezael ist ein ernst zu nehmender Gegner«, stellte der dunkle Hirte fest, »ich habe ihn unterschätzt. Aber er verfolgt seine eigenen Ziele und wird sich nicht mit dem Feind verbünden. Wo ist Saijkalsan Malidor?«
»Der Praister hat ihn mit sich genommen«, antwortete Rajuru.
»Dann ist er verloren!«, stellte der dunkle Hirte fest. »Aus den Fängen der Inquisition gibt es kein Entkommen. Ihr werdet mir diesen Verlust teuer bezahlen, Thezael. Hört Ihr! Ich komme und hole mir Eure schmutzige Seele.«
Wütend und enttäuscht über die Niederlage stampfte Saijrae mit dem Fuß auf den Boden. Durch das Geräusch entzündeten sich die an den Wänden angebrachten Fackeln wie von selbst und tauchten die heiligen Hallen in ein dunkles blaues Licht.
Saijrae half Rajuru auf die Beine und betrachtete die Herrscherin der Rachuren mit einem prüfenden Blick. Für eine Weile versuchte er zu ergründen, wie es ihr gelungen war, die Schönheit der Jugend zurückzuerlangen. Gegen sein versuchtes Eindringen in ihre Gedanken, hatte sie sich allerdings vorsorglich gewappnet. Es war ihr keineswegs daran gelegen, sich ihm auf diese Weise zu offenbaren. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Ihm gefiel, was er sah, und er erinnerte sich ganz offensichtlich an vergangene Zeiten, in denen er die Hexe tatsächlich begehrt hatte.
Doch das war lange her.
An Händen und Füssen gefesselt fand sich Malidor, nachdem er aus der Bewusstlosigkeit erwacht war, auf einer Streckbank in einer spärlich beleuchteten Kammer wieder. Sein Schädel brummte, als hätte er drei Tage und Nächte Unmengen von billigem Wein gekostet. Er spürte, dass er sich nicht bewegen konnte, und sein Geist war benebelt. Thezael musste ihm ein lähmendes Gift verabreicht haben, bevor er ihn in die Kammer entführte. Umgeben von rot gewandeten Praistern, die ihn aufmerksam beobachteten, konnte er nichts anderes tun, als gelähmt und auf die Bank gebunden abzuwarten. Am Kopfende über ihm thronte Thezael mit verschränkten Armen und gestrengem Blick, der ihm unmittelbar von oben herab in die Augen starrte.
»Wo bin ich?«, krächzte Malidor heiser.
»Genau dort, wo wir dich haben wollen, Saijkalsan. In einer Kammer der Praister, die vor langer Zeit von der großen Inquisition benutzt wurde, um den Saijkalsan Einhalt zu gebieten und ihnen ein angemessenes Ende zu bereiten. Aus dieser Kammer wirst du keinen Zugang zu den Saijkalrae öffnen und entfliehen können. Aber du darfst dich geehrt fühlen. Der große Quadalkar lag auf eben jener Bank, auf der du jetzt liegst. Den Schriften nach war er ein erstaunlicher Saijkalsan, zäh und außerordentlich ausdauernd. Tagelang ertrug er die glühenden Eisen. Weder Peitsche noch Sulsak oder Stockschläge kratzten ihn, und obwohl ihm jeder Knochen im Leib gebrochen worden war, blieb er standhaft, verweigerte ein Geständnis oder den Verrat an seinen Brüdern und Schwestern. Schattenmagie konnte ihm nichts anhaben. Und doch verlor er am Ende den Verstand. Wie steht es mit dir? Bist du so stark wie die verfluchte Legende und wirst der Folter bis zu deinem unweigerlichen Ende widerstehen? Sieh dorthin …«, der Praister drehte den Kopf des Saijkalsan in die Richtung, die er angedeutet hatte.
Malidor erkannte eine an der Wand lehnende, halb geöffnete leere Box, die in ihrer Hülle innen wie außen der eines erwachsenen Klan nachgebildet war. Ihm schwante Schreckliches. Im Inneren befanden sich eiserne Dornen, an denen vertrocknetes Blut klebte. Am Kopfteil gab es Aussparungen für Augen, Mund und Nase. Der Saijkalsan hatte davon in alten Schriften gelesen. Es handelte sich um ein berüchtigtes Folterinstrument, das offiziell die eiserne Dornenkammer der Inquisition genannt wurde. Von den Saijkalsan wurde sie lediglich als blutige Qual bezeichnet. Wurde ein Opfer in die Box gestellt und diese verschlossen, bohrten sich die Dornen unweigerlich durch Fleisch und Knochen in den Leib. Ihr Eindringen und das Steckenbleiben im Körper verhinderte zunächst das Verbluten des Opfers. Die Dornen waren so geschickt
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