Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
sie für unermesslich hielten. Wenn einer Rat wusste, dann war es Haffak Gas Vadar. In ihrer Tatenlosigkeit hatten sie die Überwachung der zum Südgebirge führenden Hochebene vernachlässigt und von einer Kontrolle der Grenzen vorübergehend gänzlich abgesehen. Im Vertrauen auf ihren Ruf als gefürchtete Streiter der Lüfte und ihre Neutralität den anderen Völkern gegenüber, verließen sich die Tartyk darauf, dass sie nicht angegriffen würden. Wer sollte es wagen, ihr Hoheitsgebiet in den Bergen erobern zu wollen oder das unbesiegbare Volk der Langlebigen mit den Drachen im Rücken anzugreifen? Die Rachuren waren von den Klan vernichtend geschlagen worden. Das Volk der Klan hatte mit der Seuche, den Folgen des Krieges und genau wie sie selbst mit den Auswirkungen der Zeit der Dämmerung zu kämpfen. Von den übrigen Völkern der Altvorderen drohte seit langer Zeit keine Gefahr mehr. Sie hatten Bündnisse und Abkommen geschlossen, die ihnen das Gebiet im Südgebirge auf ewig sicherten, wenn sie sich ihrerseits an die Verträge hielten und ihre Neutralität wahrten. Die einzige Gefahr, die von den Drachenreitern daher ernsthaft gefürchtet wurde, war die Macht des dunklen Hirten und dessen Bruder. Es fiel ihnen schwer, die magische Begabung der Saijkalrae und ihre Bedeutung für das Gleichgewicht zu begreifen, stammte diese doch nicht von den Drachen ab. Und doch fühlten sich die Tartyk auch gegen diese Macht gewappnet, denn die Saijkalrae hatten die Macht der Drachen nie infrage gestellt, wohl wissend, dass sie der Herausforderung eines magischen Kampfes möglicherweise nicht gewachsen wären.
Calicalar hatte viel über seinen Sohn nachgedacht. An manchen Tagen grämte ihn der Gedanke, dass er ihm die Schuld am Tod seiner Frau gegeben hatte und ihn danach zur Härte erziehen und mit Gewalt zu einem Drachenreiter machen wollte. Er hatte Sapius und dessen Hang für die fremde Magie nie verstanden. Was hatte ihn zu diesem Schritt getrieben? Wie konnte er sich von seiner Familie und seinem Volk abwenden? Was hatte er als Vater falsch gemacht, damit es so weit kommen konnte? Die Entfremdung hatte früh begonnen, und die Kluft zwischen Vater und Sohn war immer größer geworden, bis sie schließlich unüberwindbar geworden war. Ein Drachenreiter hätte Sapius werden sollen, so wie er selbst einer der besten und fähigsten Anführer geworden war wie schon sein Vater und dessen Vater zuvor. Es war über Generationen hinweg ihre Bestimmung gewesen, aber sein Sohn war viel zu schwach und zu uneinsichtig, um von den Drachen akzeptiert zu werden und seine Nachfolge anzutreten. Wie oft hatte Calicalar bei den Drachen wegen seines Sohnes vorgesprochen, gefleht und gebettelt. Der Rat der Alten war stur geblieben und hatte seine Bitten allesamt abgelehnt. Bis zu jenem Tag, als Sapius völlig überraschend und um Rat suchend nach Gafassa gekommen war. Sein Sohn hatte sich sehr verändert, seit er seine Heimat verlassen hatte. Erst hatte ihm Sapius leidgetan, denn die äußerlich sichtbaren Veränderungen, die sich ihm als fürchterliche Entstellungen dargestellt hatten, ließen auf schreckliche Erlebnisse schließen. Dennoch war unverkennbar für den Yasek, dass Sapius etwas Besonderes war und durch seinen Weggang weit mehr erreicht hatte, als er ihm jemals zugetraut hätte. Der Vater hatte die seinen Sohn umgebende Macht der Magie gespürt. Es war wie ein Kribbeln von tausend Käfern auf der Haut. Sie war fremd, wild und stark und sie war frei. Zu seinem Erstaunen hatten sich die Drachen gegenüber Sapius in jenem Moment geöffnet, als sie die Kraft erkannten. Calicalar hatte sie nicht einmal darum bitten müssen. Aus freien Stücken hatten sie die Tradition fortgesetzt und die Verbindung zu Sapius gesucht. Offensichtlich waren sie der Überzeugung gewesen, dass der Sohn des Yasek für diesen Schritt, den sie ihm bislang verweigert hatten, endlich bereit gewesen war.
Aber was nutzte diese späte Erkenntnis. Calicalar hatte seinen Sohn längst verloren, und das Geschehene ließ sich nicht rückgängig machen. Der Yasek musste daher akzeptieren, dass er seinen Sohn nie wiedersehen würde. Sich damit tröstend, dass Sapius einen zwar anderen Weg als die Tartyk beschritten, aber nach seiner Abkehr von den Saijkalrae den für ihn richtigen Pfad gewählt hatte und offensichtlich einem Schicksal von erheblicher Bedeutung entgegenstrebte, konnte der Anführer der Drachenreiter seinen Frieden mit seinem Sohn machen. Endlich würde
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