Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
Mauerwerk bildeten sich bis unten nach nur wenigen Schlägen die ersten Risse. Die Mauern würden der rohen Gewalt nicht allzu lange standhalten können, wenn die Ungeheuer nicht aufgehalten wurden.
Der Lordmaster richtete sich im Sattel auf, um besser sehen zu können. Er beobachtete, wie bei den Verteidigern auf den Mauern zunächst lähmendes Entsetzen ob der mit Urgewalt ausgestatteten Gegner vorherrschte. Der Zustand hielt nicht lange vor. Plötzlich kam Bewegung in die Gruppe der Verteidiger, die von plötzlich auf den Mauern erscheinenden, weiteren Bewahrern verstärkt wurde. Die Bewahrer sammelten sich, um gemeinsam gegen den neuen Feind vorzugehen. Wagemutig näherten sie sich den Riesen und griffen diese ohne zu zögern an. Doch ihre Waffen blieben wirkungslos. Trafen sie auf die Faust oder ins Gesicht eines dieser Wesen, blieb noch nicht einmal ein Kratzer zurück. Die Steingolems kümmerten sich nicht einmal um ihre Gegner. Unaufhörlich und gleichmäßig droschen sie stattdessen auf die Mauern ein. Befreiten Stein um Stein. Madhrab erinnerte sich dunkel an die Aufzeichnungen aus den Schriften.
Lediglich Blutstahl vermag die Haut aus Stein zu durchdringen und die Felsgeborenen zu verletzen. Vielleicht gilt dies für die von ihnen erschaffenen Golems gleichermaßen, überlegte er im Stillen.
Die Zeit für ein Eingreifen war gekommen. Die Gelegenheit war günstig, denn noch hatten die Bluttrinker den Kampf nicht wieder aufgenommen. Sie schienen zu überlegen, ob ihnen die Steingolems wohlgesinnt waren und ihnen das Zerstörungswerk zugutekäme. Behutsam strich Madhrab seinem Streitross über den Hals und flüsterte ihm einige beruhigende Worte in das aufmerksam aufgerichtete Ohr. Das Pferd setzte sich in Bewegung, verfiel rasch in eine trabende Gangart, nur um wenig später in einen vollen Galopp überzuwechseln. Der Bewahrer würde nicht verhindern können, dass ihn die Bluttrinker entdeckten, denn er musste mitten durch ihre Reihen hindurchreiten, während er unerschrocken auf die Golems zuhielt. In den riesenhaften Ungetümen hatte er vorerst die größere Bedrohung ausgemacht, um die er sich zuerst kümmern musste. Solatar wanderte in einer kaum wahrnehmbaren Bewegung beinahe wie von selbst vom Rücken in seine Hand und begann sogleich in Vorfreude auf den zu erwartenden Einsatz lautstark zu kreischen.
Der Lordmaster hielt in vollem Galopp auf die Reihen der Bluttrinker zu. Dort, wo ihm ein Ausweichen aufgrund der Geschwindigkeit unmöglich schien, musste ihm Solatar den Weg freischneiden. Einige Bluttrinker sprangen erschrocken zur Seite, andere wurden von den schweren Hufen des Pferdes getroffen oder einfach zur Seite geschoben. Die Überraschung war auf seiner Seite. Nahezu ungehindert erreichte er den ersten Golem und versenkte im Vorbeireiten die Klinge in der ungeschützten Ferse des Riesen, die eine klaffende Wunde schlug, aus der sich ein Strom pechschwarzen Blutes ergoss. Der Getroffene brüllte vor Schmerzen, dass die Mauern erzitterten, sich von dem wüsten Gebrüll weitere Steine lösten und herabfielen. Madhrab hatte Glück, dass sein Pferd über genügend Wendigkeit verfügte, um den Steinen ausweichen zu können.
Dies also ist die Lösung des Problems, dachte Madhrab. Er beabsichtigte, die Golems, einen nach dem anderen, mit Solatars Hilfe in die Knie zu zwingen und auf diese Weise zu besiegen.
Madhrab wendete und lenkte Najak näher an die Golems heran und schwang das wuchtige Schwert in Richtung der Beine. Singend und tief schnitt die Klinge durch den Stein, als bestünden die Beine der Golems aus Fleisch und Blut. Das Brüllen der verwundeten Riesen war weit über die Grasebenen bis in die Berge zu hören. Ein Teil der Mauer brach weg und riss einen Sonnenreiter mit sich in die Tiefe. Wieder wendete Madhrab das Pferd und preschte wie ein rot gewandeter Dämon hinter den Golems vorbei, um ihnen erneut tiefe Wunden zuzufügen. Die Golems wankten, ließen endlich von der Mauer ab, um sich schließlich ihrem todbringenden Feind zuzuwenden.
»Kommt her!«, rief Madhrab. »Ich warte auf Euch.«
Najak tänzelte rückwärts, um zwischen die Golems und sich und seinen Reiter einen Abstand zu bringen, den die Steinriesen nicht mit einem einzigen Schritt überwinden konnten. Doch das wäre nicht nötig gewesen, denn sobald sie einen Schritt nach vorne setzen wollten, knickten ihnen die Füße weg und sie fielen auf die Knie, ganz wie der Bewahrer erwartet hatte.
»So gefällt mir das,
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