Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
was er tatsächlich in einer Schlacht vermochte. Er hatte viel gelernt, Ängste überwunden und konnte auf die Erfahrungen aus der Entscheidungsschlacht gegen die Rachuren zurückgreifen. Was konnte es Schrecklicheres geben als diesen Kampf? Dennoch hatte ihm Quadalkar lediglich diese Aufgabe zugedacht. Vertraute er ihm nicht? Die Zurückweisung saß tief und sie grämte ihn bereits die gesamte Zeit ihrer Reise über.
Die Augen des jungen Bluttrinkers fixierten den Sonnenreiter und versuchten in dessen Gedanken einzudringen. Er würde den Aufsässigen schon knechten und ihn seinem persönlichen Einfluss unterwerfen, wenn es sein musste, mit Gewalt. Gelänge ihm dies, könnte er künftig, wann immer Renlasol wollte, in den Träumen des ehemaligen Zelt- und Reisegefährten auftauchen und ihn quälen, und Drolatol würde sich fortan nie mehr vor ihm verstecken können. Er würde ihn finden, überall und zu jeder Zeit auf Kryson. Die Klan waren anfällig für die Behandlung und konnten sich dem für gewöhnlich nicht widersetzen. Bei Drolatol war es jedoch anders, und Renlasol wollte es einfach nicht gelingen, in den Kopf des Sonnenreiters einzudringen. Obwohl er ihm direkt in die Augen sah, kam er erstaunlicherweise nicht durch die Blockade hindurch.
»Tja … wisst Ihr«, mischte sich Jafdabh ein, »ich beliefere die Bluttrinker schon zu lange und habe schon zu viele gute Männer bei den Handelsgeschäften an Euch verloren, um nicht gegen gewisse Versuche der Beeinflussung durch Euresgleichen gewappnet zu sein. Gebt Euch also keine Mühe, Ihr werdet meinen Diener nicht unterwerfen können. Er ist vor Eurem Blick durch Magie geschützt.«
Frustriert brach Renlasol den Versuch wieder ab. Dieser Tag der Befreiung der Bluttrinker war nicht sein Tag.
Das Streitross schnaubte und scharrte unruhig mit den Hufen. Beim Anblick der gegen die Mauern stürmenden Gegner wollte es sich am liebsten sofort in den Kampf stürzen. Aber sein Reiter hielt es mit eiserner Hand zurück. Er wollte sich aus sicherem Abstand einen Überblick zur Lage verschaffen, bevor er die Herausforderung annehmen und in die Schlacht ziehen würde. Zu diesem Zweck hatte er sich einen leicht erhöhten Ort ausgesucht, von dem aus er eine ungehinderte Sicht über die Häuser und das davorliegende Gelände hatte. Zwar war er sich darüber bewusst, dass er an dieser Stelle von aufmerksamen Beobachtern durchaus wahrgenommen werden konnte, aber das würde seinen Sinnen nicht entgehen und er würde genügend Zeit haben, sich – falls notwendig – auf einen Angriff vorbereiten oder eventuellen Gefahren entgehen zu können. Ein merkwürdiges Gefühl überkam ihn, als er die sich vor seinen Augen ausbreitende gespenstische Szenerie beobachtete. Dies war einst sein Zuhause gewesen. Einen Großteil seiner Kindheit und Jugend hatte er hinter jenen Mauern verbracht. Hier war er als Sohn eines Mannes aus den Bergen aus einfachen Verhältnissen zu einem Lordmaster und Befehlshaber eines der größten Heere der Klanlande aufgestiegen. Doch hier war er auch tief gefallen. Sie hatten ihn nach einer Intrige eingekerkert und beinahe zu Tode gefoltert. Und nun stand er erneut vor den Toren und wurde von einem Belagerungsheer daran gehindert, das Haus des hohen Vaters als freier Mann zu betreten. Er würde warten müssen, um die Antworten auf seine Fragen zu erhalten, und er würde sich den Weg durch die Leiber der Bluttrinker freischneiden müssen, wollte er hineingelangen. Obwohl sie ihn verstoßen und zu einem Schicksal in der Grube verurteilt hatten, fühlte er sich den Bewahrern immer noch verbunden. Sie waren und blieben seine Brüder, gleichgültig wie sie ihn behandelt hatten. Er musste ihnen seine ganze Kraft zur Verfügung stellen, um ihnen in der Gefahr beizustehen. Er konnte nicht anders.
Die Erfahrung aus den Grenzkriegen und zahlreichen Kämpfen hielt Madhrab vor einem sofortigen, unüberlegten Vorstürmen ab. Ein Eingreifen seinerseits musste geplant verlaufen. Ein Rückschlag oder gar eine Niederlage würde weder ihm noch den Ordensbrüdern zum Vorteil gereichen. Der Lordmaster und sein Ross hatten einen schnellen und anstrengenden Ritt hinter sich gebracht, um bis in die Nähe der Mauern der Ordenshäuser an diese Stelle zu gelangen. Eine kurze Rast, zu verschnaufen und zur Orientierung, waren wichtig.
Auf einen Blick hatte Madhrab die entscheidenden Taktiken des pausenlos gegen die Mauern anrennenden Gegners erkannt. Die Bluttrinker legten es
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