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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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Mädchen landete unsanft auf der Erde und sah nun erstaunt an sich hinab, nur um sogleich mit Entsetzen festzustellen, dass ihr Unterleib, unterhalb der Brust abgetrennt, einige Fuß entfernt von ihrem Oberkörper, an einer anderen Stelle aufgekommen war und sich die Beine unkontrolliert und wirkungslos in der Luft tretend bewegten, bevor sie erschlafften und schließlich herabsanken.
    Über ihr stand der Bewahrer, das Blutschwert Solatar mit beiden Händen hoch über den Kopf erhoben, mit der Schwertspitze nach unten gerichtet.
    »Ich nehme den Fluch von dir, Mädchen«, sagte Madhrab, in seiner Stimme klang ein leises Bedauern mit.
    Sie sah ihn aus traurigen Augen an. Das Schwert drang tief in ihre Brust, fühlte sich kälter als Eis an und durchbohrte ihr Herz. Madhrab stützte sich mit dem Fuß auf ihrer Brust ab und drehte die Klinge zweimal. Angewidert beobachtete der Bewahrer, wie das Antlitz Yabaras in wenigen Sardas zur Frau reifte – sie wäre gewiss eine schöne Frau geworden –, sie rapide alterte und schließlich uralt und von den Schatten gezeichnet zerfiel. Nichts als ein Haufen trockenen Staubes blieb von dem Mädchen zurück. Der Tod des Mädchens berührte den Lordmaster auf besondere Weise. Wie viele Sonnenwenden hatte sie unter dem Fluch gelitten? Sie hatte nie die Gelegenheit bekommen, zu einer erwachsenen Frau zu werden. Viel zu früh in ihrem gerade erst begonnenen, jungen Leben hatte Quadalkar Yabara mit dem Fluch belegt. Ein einst unbefangenes Kind, das wahrscheinlich hunderte oder gar tausende von Sonnenwenden in der Dunkelheit verbracht hatte und sich vom Blut der Klan ernähren musste. Ihre Seele war verdorben, und er ahnte nicht einmal, was sie nun in den Schatten erwartete. Womit hatte ein Kind ein solches Schicksal verdient?
    Madhrab sah sich um, noch verharrten die Kriecher in ihrer kauernden Stellung und warteten offenbar ungeduldig auf weitere Befehle. Obwohl sie hungrig, geradezu gierig waren und ihre Triebe schwer im Zaum halten konnten, wagten sie nicht, den Bewahrer auf eigene Faust anzugreifen. Langsam und sich vorsichtig umsehend näherte sich der Bewahrer seinem Streitross. Das Pferd schnaubte freudig. Der Lordmaster tätschelte beruhigend den Hals des treuen Hengstes, griff sich die Zügel, stellte ein Bein in den Steigbügel und schwang sich zurück in den Sattel. Auf dem Rücken Najaks verschaffte er sich rasch einen Überblick.
    Madhrab hatte etwas erreicht, womit die Bluttrinker nicht gerechnet hatten. Der Lordmaster gab dem Hengst ein Zeichen. Das Pferd setzte sich durch die nach wie vor geöffnete Gasse in Bewegung. Gierige Blicke folgten jedem Schritt des prächtigen Tieres, aber sie hielten sich weiterhin zurück und schlossen die Gasse nicht.
    Eine eigenartige Stille lag vor den Mauern der Häuser. Lediglich das Klappern der Hufe Najaks war zu vernehmen. Weder auf noch vor den Mauern bewegten sich die Kontrahenten. Mit von der Erscheinung des Lordmasters gebannten Augen beobachteten sie von den Mauern herab den langsamen Weg des Bewahrers durch die von atmenden und knurrenden Leibern begrenzte Gasse. Die Kriecher hingegen lauerten, jederzeit zum Sprung bereit, den Tod eines Königskindes zu rächen.
    Und die anderen Belagerer? Durch den Verlust einer ihrer besten und ältesten Kräfte getroffen, wirkten sie wie gelähmt, zu keiner weiteren Handlung oder einem klaren Gedanken fähig.
    Warum setzten sie die Belagerung nicht fort, rannten gegen die Mauern an und machten den Sonnenreitern das Leben schwer? Worauf warteten sie? Madhrab hatte sich gefragt, welches Gewicht Quadalkar in diesem Kampf darstellte. Er war der König der Bluttrinker, den Legenden nach einer der fähigsten und mächtigsten Saijkalsan. Und doch hatte er bislang kaum eingegriffen. War der legendäre Meister zu alt und zu müde, sich in den Kampf zu begeben und sich ihm, Madhrab, zu stellen? Das konnte unmöglich sein. Er galt im Grunde als unsterblich. Immerhin hatte er seine Kinder bis vor die Ordenshäuser geführt und mit der Belagerung begonnen. Quadalkar musste siegesgewiss gewesen sein und an die Freiheit für sich und seine Kinder geglaubt haben, um diesen gefährlichen Schritt aus seinem Versteck heraus zu wagen. Was hatte Madhrab schon einem Saijkalsan entgegenzusetzen, der einst die halbe Welt in unbändigem Zorn zerstört hatte? Ein singendes Blutschwert und die Fähigkeiten eines erfahrenen Kriegers gegen einen überaus begabten Magier der Dunkelheit. Was war das schon? War der Vater

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