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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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Er blieb abrupt stehen und schüttelte sich angewidert, als hätte er einen fürchterlichen Gestank wahrgenommen, der ihm Übelkeit bereitete.
    »Quadalkar!«, rief er den Namen des verlorenen Saijkalsan, »Quaaaa…daaaal…kaaaar!«
    Der zornige Schrei des dunklen Hirten fegte wie ein Sturm durch den Wald, entwurzelte Bäume, nahm Steine mit sich und riss Büsche aus. Der Wind verebbte, so schnell er gekommen war, und dann kehrte die Ruhe in den Wald zurück.
    »Verräter! Ich besitze deine Seele. Du wirst mir nicht entkommen. Verstecke dich im Land der Tränen, ich werde dich dennoch finden und in die ewige Finsternis der Gescheiterten verbannen oder, noch besser, in die Flammen der Pein werfen. Dorthin gehörst du«, drohte der dunkle Hirte, die geballte Faust gen Baumwipfel gereckt.
    Die Tiere des Waldes hielten sich vor den aufmerksamen Augen Saijraes versteckt. Seit Beginn der Dämmerung schon scheuten sie die Dunkelheit. Nur selten wagten sie sich auf der Suche nach Nahrung und Wasser aus ihren Verstecken. Er hielt inne und lauschte. Die Stille erschien ihm eigenartig. Je weiter er sich dem Herz des Faraghad näherte, desto mehr überkam ihn das Gefühl, er wandle in einem seiner zahlreichen Träume, die er längst vergessen glaubte. Unwirklich und wie verzaubert erschien ihm der dunkle Wald, fast als wäre jedes Leben darin längst ausgestorben. Nur die Blätter der Bäume raschelten und rauschten gelegentlich und wiegten ihre Äste im Wind hin und her. Aber er wusste, dass dies nur eine Sinnestäuschung sein konnte. Der Faraghad musste immer noch voller Leben stecken. Die Waldbewohner hatten Angst. Sie hatten ihn bemerkt, denn er gab sich keine Mühe, leise zu sein und sein Kommen zu verbergen. Er konnte die Furcht der Lebewesen des Waldes geradezu riechen, die sich für ihn wie eine nicht abreißende Duftspur durch den Wald zog. Erst jetzt wurde ihm richtig bewusst, welche Wirkung die Beschwörung der Zeit der Dämmerung auf Ell tatsächlich hatte. Die Verschiebung des Gleichgewichtes zugunsten der Nacht war an diesem Ort besonders deutlich zu sehen. Er hörte plötzlich in der Nähe das verräterische Knacken eines Astes und wirbelte herum, um die Ursache des Geräusches auszumachen, das sich durch die Stille lauter angehört hatte, als es tatsächlich war.
    »Kommt und zeigt euch, ihr feiges Naiki-Pack«, sagte der dunkle Hirte, während er die Nase in die Luft hielt und einen tiefen Atemzug nahm, »ich weiß, dass ihr hier seid und jeden meiner Schritte beobachtet. Ich kann eure Angst riechen.«
    Angestrengt versuchte er etwas zu erkennen. Aber es bewegte sich nichts hinter den Bäumen, und das Knacken wiederholte sich nicht mehr. Der dunkle Hirte zuckte nach einer Weile des Lauschens und Spähens gleichgültig mit den Schultern und setzte seinen Weg fort. Die Siedlung der Naiki musste hier irgendwo versteckt sein. Sein Gefühl ihrer Anwesenheit konnte ihn unmöglich trügen. Es war wie ein ständiges Kribbeln und gelegentliches Stechen auf seiner Haut, als hätte er sich in einen großen Ameisenhaufen gesetzt, und die fleißigen Waldarbeiter krabbelten über seinen nackten Körper und versuchten ihn von ihrem Nest zu vertreiben. Wenige Schritte später blieb Saijrae erneut stehen und blickte erschrocken zu den Baumwipfeln auf. Ein Lichtstrahl durchbrach die Dämmerung, bahnte sich seinen Weg, die Umgebung in ein dunkles, sattgrünes Licht tauchend, durch das dichte Blattwerk zum Waldboden. Doch der Lichteinfall war nur von kurzer Dauer, vielleicht ein, zwei Wimpernschläge lang, und wurde von der Dämmerung sogleich wieder verschluckt.
    Was war das?, fragte sich der dunkle Hirte, wohl wissend, dass der Zauber nach Tallias Ableben nicht mehr wirkte. Lässt die Dämmerung so schnell nach? Das dunkle Band scheint brüchig zu werden. War denn all die aufgewendete Macht gegen die Sonnen zu schwach und am Ende nutzlos?
    Während er sich noch immer über das Missgeschick ärgerte und Rajuru dafür verfluchte, hielt er die Augen nach oben gerichtet. Und plötzlich nahm er hoch oben in den Bäumen etwas wahr, das ihm bislang nicht aufgefallen war. Die von unten kaum sichtbaren Formen konnten unmöglich natürlichen Ursprungs sein. Der dunkle Hirte verfolgte die schattenhaften Umrisse mit seinen Blicken. Es sah aus, als habe jemand die Bäume mit Plattformen, Seilen und Brücken miteinander verbunden. Die Konstruktion erstreckte sich anscheinend über mehrere Ebenen und ein weites Gebiet.
    »Habe ich euch also

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