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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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dem Lordmaster zurück.
    »Nein … was tust du mir an?«, rief er und fasste sich mit den Händen an den Kopf, als würde sein Schädel jeden Augenblick platzen. »Der Schmerz … o nein … das ist nicht auszuhalten. Wie kann ein Bewahrer wie du so lieben? Das ist nicht möglich, das ist vollkommen falsch.«
    Wie ein glühendes Eisen fraß sich des Bewahrers Erinnerung an seine Liebe und die Verbundenheit der Seelen in den Kopf des Gedankenschinders. Der Herr der Grube versuchte sich zu schützen, indem er vehement den Kopf schüttelte. Die Kraft der Liebe hatte ihn jedoch erfasst und durchflutete seinen Körper. Wankend hielt sich die uralte Kreatur an der Wand fest, doch sie war zu schwer getroffen, um sich auf den kurzen Beinen halten zu können. Stöhnend rutschte er an der Wand herab und blieb auf dem Boden sitzen. Er schrie und heulte, wand sich auf dem glatten Stein.
    »Ah, es tut so schrecklich weh. Hör auf, Bewahrer. Nimm sie weg von mir. Das darf nicht sein«, jammerte der Herr der Grube, »nein, bitte … nicht so kurz vor dem Ziel meiner Träume.«
    Während der Gedankenschinder offensichtlich Qualen litt, spürte Madhrab ihn immer noch in seinem Kopf nach einem Ausweg suchen. Doch der Lordmaster hielt ihn fest, so gut er dies vermochte. Abgelenkt, mit sich selbst und seinem Schmerz beschäftigt, hatte die steinerne Gestalt offenbar vergessen, sich vor dem Bewahrer zu schützen. Madhrab konnte wie in einer Schrift in dessen Gedanken lesen und holte sich wieder, was ihm gehörte, und mehr noch. Er setzte die Erinnerungen der anderen Gefangenen frei, zerrte sie aus den letzten Winkeln hervor, entriss sie dem Herrn der Grube gewaltsam und warf sie in die Grube. Dort verflüchtigten sie sich und gerieten rasch in Vergessenheit.
    Nahezu leer und keuchend lag der Gedankenschinder vor den Füßen des Bewahrers und blickte diesem fassungslos in die Augen. Das abgrundtief Böse war aus dem Blick der steinernen Kreatur verschwunden und zeigte stattdessen eine Hilflosigkeit, die Madhrab beinahe anrührte.
    »Du glaubst, du hättest mich besiegt, nicht wahr?«, fragte der Herr der Grube.
    Madhrab antwortete ihm nicht, sondern schüttelte nur betrübt den Kopf. Nach all dem, was er in der Grube erlebt hatte, fühlte er sich gewiss nicht als Sieger. Er dachte an Brairac, dem er das Leben genommen hatte. Es war wie ein fortwährend auf ihm lastender Fluch, der ihn immer wieder zu solchen Handlungen zwang. Dem Bewahrer war gleichgültig, was der Gedankenschinder dachte. Sieg oder Niederlage, was bedeutete das schon im Angesicht des Verlustes eines geliebten Freundes. Töten konnte Madhrab dieses eigenartige Wesen nicht. Das spürte der Bewahrer klar und deutlich. Die Macht und das Gleichgewicht hielten ihn zurück, dem Herrn der Grube zu nahe zu treten. Der Grube entfliehen und das Gesehene schnellstmöglich vergessen, das war es, was ihn in diesem Moment noch aufrecht hielt. Die Erinnerungen hatten vieles aus den Schatten der Vergangenheit wieder ans Licht gebracht, was er bis dahin nicht verarbeitet, wohl aber verdrängt hatte, manches davon hatte er vergessen wollen. Nun waren die Erinnerungen frisch, als hätte sich all dies erst vor wenigen Augenblicken ereignet.
    »Du hattest schon verloren, als du den Grund der Grube betreten hast«, beharrte der Herr der Grube auf seiner vermeintlichen Überlegenheit. »Geh, Madhrab. Verschwinde aus meinem Reich, bevor ich mich von deinem miesen, kleinen Trick erholt habe und es mir anders überlege.«
    »Was meinst du damit, ich hätte verloren?«, hakte Madhrab nach.
    »Denk nach, Bewahrer. Du bist ein kluger Mann und wirst es schon bald feststellen. Die Zeit vergeht schnell. Viel schneller, als du denkst«, antwortete der Gedankenschinder und verzog seinen Mund zu einem schamlosen Grinsen.
    Für Madhrab wurde es endlich Zeit, die Grube zu verlassen. Wie lange würde die Wirkung seines innigsten Gedankens vorhalten? Er wollte es nicht auf einen Versuch ankommen lassen und machte sich daran, den Gang zu verlassen und in der Grube an den Wänden emporzuklettern. Dieses Mal wollte er sich nicht von der Panik ablenken lassen und das Klettern wohlüberlegt in aller Ruhe angehen.
    Tritt für Tritt und Armzug um Armzug arbeitete er sich aus der Tiefe der Grube in die Höhe. Sein Weg wurde von dem hämischen Gelächter des Gedankenschinders begleitet.

V ERLORENE Z EIT
    E rschöpft und am Ende seiner Kräfte hatte Madhrab endlich den oberen Rand der Grube erreicht. Dort klammerte er

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