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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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her bewegen, wehrte sich nicht und zeigte keine Reaktion. Die Augen blieben stumpf, vom Wahnsinn gekennzeichnet.
    Verdammt! Besitzt er denn überhaupt noch einen Funken Verstand?, fragte sich Madhrab.
    Kräftig schlug der Bewahrer Brairac links und rechts ins Gesicht, versuchte ihn von dort zurückzuholen, wo immer dieser sich auch gerade befinden mochte. Für einen kurzen Augenblick blitzte etwas in den Augen des Sonnenreiters auf, das Madhrab Hoffnung gab. Der Lordmaster schlug noch einmal zu, bis sich die Wangen seines Freundes dunkel verfärbten. Die Lippen Brairacs bewegten sich auf und ab, während er seine Zunge zu kontrollieren suchte. Ein fürchterliches Stöhnen drang aus der Kehle des Kaptans, das Madhrab zutiefst erschütterte. Doch die Augen wurden allmählich klarer, als ob der Schmerz der Schläge einen Schleier des Vergessens von ihnen gezogen hätte.
    »Was … was … wo … wer?«, stammelte Brairac.
    »Ich bin es, Madhrab«, sagte der Bewahrer, »wacht auf, Brairac, ich bin gekommen Euch zu holen.«
    »M… M… M… M…adh…rab?«, stotterte der Kaptan. »W… W… W… Wer seid Ihr?«
    »Ich bin Euer Freund«, antwortete Madhrab, »mein guter, treuer Kamerad. Steht auf und kommt mit mir.«
    »Ich kann nicht«, antwortete Brairac, dessen Sprache mit jedem weiteren Wort zurückkehrte und allmählich besser wurde, »es ist zu spät.«
    »Was redet Ihr da? Ich stieg in die Grube, Euch zu retten.«
    »Für mich gibt es keine Rettung mehr. Nur wenige klare Momente sind mir hin und wieder noch vergönnt. Immer seltener und kürzer jedoch. Zu lange schon bin ich dem Gedankenschinder ausgesetzt. Rettet Euch selbst, Lordmaster, solange Ihr noch könnt. Der Wahnsinn kommt schleichend. Er lauert in den Gängen auf Euch. Ihr spürt ihn zwar, aber Ihr seht ihn nicht. Er schickt Euch Träume. Böse Träume. Und dann setzt er sich in Eurem Kopf fest. Langsam und anhaltend. Dann nimmt er Euch alles. Eure Wünsche, Euren Glauben und Eure Identität. Geht, Madhrab!«
    »Ich werde Euch nicht hierlassen«, antwortete Madhrab bestimmt.
    »Ihr müsst, Herr«, sagte Brairac. »Wenn Ihr mir jedoch einen großen Dienst erweisen wollt, dann tötet mich auf der Stelle, bevor ich in den Abgrund zurückfalle und der Wahnsinn erneut von meinem Geist Besitz ergreift. Ich flehe Euch an. Lasst mich klaren Verstandes sterben.«
    »Das kann ich nicht«, wies Madhrab das Ansinnnen des Freundes entsetzt zurück.
    »Ihr könnt und Ihr werdet. Ich weiß das, denn Ihr seid ein wahrer Freund. Schlagt mir diese Bitte nicht ab. Ich würde niemals zur Normalität zurückfinden. Zu viel hat mir der Herr der Grube schon genommen, zu viel von mir selbst habe ich verloren.«
    Madhrab nahm das Gesicht des Freundes in die Hände und blickte ihm in die Augen. Schon bemerkte er, dass sich die Klarheit darin zu verflüchtigen begann.
    »Beeilt Euch, Herr. Ich falle … in … in … Ab…grund … bi…tt…eee.«
    Zutiefst erschüttert erkannte der Lordmaster die ausweglose Lage seines Freundes. Der Wahnsinn kehrte langsam zurück, noch blieb jedoch Zeit, ihm diesen letzten Gefallen zu tun. Zitternd legten sich die Hände des Bewahrers um den Hals des verzweifelten Kaptans. Madhrab schloss die Augen, während er zudrückte. Er konnte den Anblick des unter seinen Händen erstickenden Freundes nicht ertragen. Tränen rannen über die Wangen des Lordmasters. Madhrab war verzweifelt und er drohte nun ebenfalls den Verstand zu verlieren. Wie sollte er sich gegen die Angriffe des Gedankenschinders schützen, wenn ihn zugleich die Gefühle von Trauer überwältigten und ihn nahezu lähmten. Madhrab öffnete die Augen, als er fühlte, wie der Körper seines Freundes unter seinen Händen erschlaffte. Er hatte Brairac erwürgt. Die weit aufgerissenen Augen, aus denen jedes Leben gewichen war, starrten ihn vorwurfsvoll an. Die Zunge hing schlaff aus dem Mund. Dieses anklagende Gesicht seines Freundes würde er nie wieder vergessen. Er nahm den toten Leib in die Arme und drückte ihn fest an sich, wiegte ihn vor und zurück und vergrub schluchzend sein Gesicht in der Schulter des Kaptans. In jenem Augenblick tiefster Verzweiflung vergaß er die Welt um sich herum. Die Grube und der Gedankenschinder waren ihm gleichgültig.
    Ein hässliches Lachen riss ihn aus seiner Betäubung, in die er sich durch den Verlust des Freundes gebracht hatte.
    »Mörder …«, rief eine Stimme, die sich anhörte, als rumpelte sie wie ein hölzerner Wagen über ein unebenes Feld

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