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Kryson 03 - Zeit der Dämmerung

Titel: Kryson 03 - Zeit der Dämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Rümmelein
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immer tun würde. Als Ihr Euch gegen die Ordensregeln stelltet, sah er sich gezwungen zu handeln. Madhrab, der hohe Vater liebte Euch wie einen eigenen Sohn. Das hat er mir selbst gesagt.«
    »Willst du wissen, was ihn wirklich trieb?«, fragte Madhrab.
    »Natürlich. Erzählt mir, was Ihr in Erfahrung bringen konntet.«
    »Einst kehrte er alleine von einem Feldzug der Sonnenreiter gegen die Bluttrinker zurück. Vermeintlich siegreich, obwohl er all die Frauen und Männer verloren hatte, die mit ihm geritten waren. Die Sonnenreiter erzählten sich die Geschichte eines glorreichen Sieges nur allzu gerne. Doch die Wahrheit sieht anders aus. Die meisten ihm anvertrauten Krieger verlor er während einer nächtlichen Schlacht an die Bluttrinker. Er handelte nicht, weil er zu feige war, eine Entscheidung zu treffen. Stattdessen wartete er, bis sie sich verwandelt hatten und ihre Seelen verloren waren. Erst dann zog er gegen sie und schickte einen nach dem anderen in die Flammen der Pein. Ihre Köpfe steckte er im Land der Bluttrinker zur Abschreckung auf Pfähle. Das war Boijakmar. Aber der Sieg war im Grunde eine Niederlage, denn er wurde von Quadalkar geschlagen und mit dem dunklen Mal gezeichnet. Wusstest du das?«
    »Nein, das war mir nicht bekannt«, Yilassa zog überrascht eine Augenbraue nach oben, »aber bedenkt, auch ich und Ihr selbst wurdet mit dem dunklen Mal des Bluttrinkers geschlagen. Wollt Ihr Boijakmar vorwerfen, dass er von einem mächtigeren Wesen besiegt wurde, das ihn benutzt hat? Das dürft Ihr nicht.«
    »Nicht? Aber du weißt, was das bedeutet«, fuhr Madhrab fort, »der hohe Vater stand unter dem Einfluss des Königs der Bluttrinker, einem Saijkalsan, der sich dem dunklen Hirten verpflichtet hatte. Damit diente auch er und mit ihm der gesamte Orden dem dunklen Hirten. Statt für die Wahrung des Gleichgewichtes einzustehen, brachte er es in Gefahr. Er hat uns alle betrogen, Yilassa. Sag mir, wie lange ich in der Grube war.«
    Yilassa sah Madhrab tief und ernst in die Augen, stand auf, nahm einen Spiegel von der Wand und reichte diesen dem Lordmaster.
    »Ihr habt wirklich keine Vorstellung, nicht wahr?«, fragte sie und biss sich dabei auf die Unterlippe.
    »Nein«, bestätigte Madhrab ihre Befürchtung und nahm dabei den Spiegel aus ihren Händen entgegen.
    Das Spiegelbild kam ihm nicht unbekannt vor. In einem seiner Träume in der Grube hatte er eine Begegnung mit sich selbst, die seinem jetzigen Gegenüber nicht unähnlich gewesen war. Doch dieser Spiegel log nicht. Madhrab sah ruhig und wortlos in den Spiegel. Ein älterer, verwahrloster Mann starrte ihm entgegen, den er kaum wiedererkannte. Er hatte langes, ungepflegtes graues Haar auf dem Haupt und trug einen weißen Vollbart, der ihm tatsächlich bis zum Bauchnabel reichte. Bis zu seinem Aufstieg hatte er all dies nur für einen Albtraum gehalten. Die Erkenntnis über die Veränderungen, die ihm die verlorene Zeit zugefügt hatte, traf ihn wie ein Schlag und schlug eine tiefere Wunde, als ihm ein Schwerthieb jemals hätte zufügen können. Eine Wunde, die nicht mehr heilen würde.
    »Wie lange, Yilassa?« beharrte er auf ihrer Antwort.
    »Zu lang«, sagte sie.
    »Wie lange?«
    »Beinahe dreiundzwanzig Sonnenwenden, Madhrab. In drei Monden werden es dreiundzwanzig, um genau zu sein«, Yilassa hielt seinem bohrenden Blick nicht stand.
    »Dreiundzwanzig«, flüsterte Madhrab fassungslos.
    Madhrab war plötzlich sehr blass geworden. Der Spiegel rutschte ihm aus der Hand, fiel auf den Boden und zerbrach klirrend in viele kleine Teile. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Schmerzlich wurde er gewahr, was der Herr der Grube gemeint hatte, als er dem Lordmaster mit auf den Weg gab, er habe bereits verloren, seit er den Grund der Grube betrat. Sie – und damit meinte er Boijakmar, Chromlion und den Herrn der Grube – hatten ihm seine Zeit und einen Teil seines Lebens geraubt. Wertvolle Zeit, die ihm gehört hatte, die er mit Elischa verbringen wollte und die er nicht zurückdrehen konnte. Verlorene Zeit.
    »Ich hätte niemals in die Grube steigen dürfen«, sagte Madhrab sehr leise mit belegter Stimme. »Boijakmar hat mich abermals betrogen und Brairac ist tot. Ich fand ihn in den Gängen der Grube. Er war dem Wahnsinn unrettbar verfallen und flehte mich an, ihn zu töten. Ich habe einen treuen Freund mit meinen bloßen Händen erwürgt. Ich verriet meine Liebe, Yilassa. Nichts und niemand wird dies wiedergutmachen können. Die Zeit ist für immer

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