Kryson 03 - Zeit der Dämmerung
feststellte, dass sie erneut mit einem Kinde schwanger ging, wurde Elischa in Verwahrung genommen und die meiste Zeit bis zur Geburt eines Kindes in ihrer Kammer auf die Lagerstätte gebunden, sodass sie sich kaum regen konnte. Die zugeteilte Verpflegung war in jenen Monden der Schwangerschaft allerdings deutlich besser, und zwischendurch durfte sie, begleitet von zwei Wachen, im Burghof spazieren gehen. So brachte sie in drei Sonnenwenden hintereinander Chromlions Bastarde nach Kryson.
Zu ihrer Erleichterung verlor der Fürst nach der Geburt des dritten und jüngsten Kindes, seiner Tochter Nihara, das Interesse an der Orna. Elischa hatte sich des Öfteren gefragt, was ihn dazu veranlasst hatte, sich endlich von ihr abzuwenden. Vielleicht war es die Tatsache, dass sie abgemagert und verbraucht war, sich bis auf eine tägliche Wäsche mit kaltem Wasser nicht mehr pflegte. Die tägliche Arbeit und die Schläge hatten sie abgestumpft. Ihre Hände waren zerschlissen, die Fingernägel rissig und abgebrochen, der Rücken und die Beine blau und krumm geschlagen. Das Haar war in großen Teilen verfilzt, stand teils wirr vom Haupt ab oder hing in langen Strähnen in ein von Schmutz überzogenes und verhärmtes Gesicht, dessen einstiger Glanz und Ausstrahlung längst vergangenen Tagen angehörte. Ihre einst strahlenden Augen waren stumpf und leer, lagen tief in den dunkel umrandeten Augenhöhlen, und die Mundwinkel zogen sich mit jedem Mond weiter nach unten. Womöglich hatte Chromlion auch eingesehen, dass sie ihm niemals gehören würde und ihre Liebe nur einem einzigen Mann vorbehalten blieb. Oder er hatte sein Ziel erreicht, nachdem er sie lange genug gedemütigt und gequält und sie ihm drei Kinder geboren hatte. Gleichgültig, was dazu geführt hatte, dass Chromlion sie fortan ignorierte, als sei sie nicht vorhanden, Elischa sollte dieser Zustand mehr als recht sein, hatte er ihr doch die Möglichkeit gegeben, sich zumindest in den Nächten ungestört in ihre Kammer zurückzuziehen und von glücklicheren Tagen zu träumen.
Einzig die Anfeindungen durch die Köchin Acerba waren geblieben und gipfelten zuweilen in unerträglicher Qual. Elischa hasste die fette Köchin so sehr, dass sie sich eines Tages nicht anders zu helfen wusste, als dieser unbemerkt ein schleichendes Gift ins Essen zu mischen. In den Vorratskammern der Burg hatte Elischa einen giftigen Pilz entdeckt, der sich auf einigen über eine längere Zeit gelagerten Vorräten angesiedelt hatte. Der einmalige Genuss dieses Pilzes blieb harmlos. Aufbereitet, mit einer Prise Rattenkot verfeinert und zusammen mit den Giftdrüsen einer gemeinen Kellerspinne zu Pulver zerstampft und jeden Tag in Form eines geschmacklosen Giftes dem Essen beigemischt, entfaltete der Pilz allmählich seine tödlich schleichende Wirkung. Acerba wurde krank, klagte über Unwohlsein und blutige Exkremente. Sie erbrach sich häufig und wurde schließlich aus Angst vor Ansteckung und einer drohenden Seuche aus der Küche des Fürstenhauses ausgeschlossen. Bald darauf wurde die Köchin schwächer und schließlich an ihr Bettlager gefesselt. Die Heiler wussten keinen Rat, vermuteten eine unheilbare Krankheit, die sich anscheinend nicht auf andere in der Burg übertrug. Zähne und Haare fielen Acerba aus. Kaum noch in der Lage, feste Nahrung zu sich zu nehmen, magerte Acerba ab, bis sie fast nur noch aus Haut und Knochen bestand. Die Schatten tanzten schon seit Monden in der Kammer der Köchin in Vorfreude, sie endlich mit sich in ihr Reich nehmen zu können. Ungerührt des elenden Zustandes ihrer Peinigerin verabreichte Elischa der Köchin weiterhin an jedem Tag zu zwei Mahlzeiten das Gift. Später, als Acerba nicht mehr essen wollte, mischte sie das tödliche Pulver ins Wasser. Nach einer langen Zeit des Leidens, zwei Sonnenwenden später, war Acerba tot. Niemand verdächtigte die Orna und Elischa plagte keinerlei Reue. Das Fürstenhaus Fallwas hatte sie zu einer Mörderin werden lassen, die keine Schuld empfand.
Acerbas Tod lag viele Sonnenwenden zurück und die Zeit der Demütigung war beinahe in Vergessenheit geraten. Seitdem waren Elischas Tage mit schwerster Arbeit ausgefüllt gewesen, die sie klaglos und stumpfsinnig verrichtet hatte. Sie führte ein weitestgehend von anderen unbeachtetes Leben, eingesperrt zwischen den Mauern der Burg. Bemüht, nicht aufzufallen und Fehler zu vermeiden, hatte sie sich im Lauf der Zeit wenige Freiheiten erarbeiten können, und in diesem Zuge war ihre
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